6. März 2004

Dreiecksgeschichte mal anders

 

In dem Roman „Mutter eines Fremden“ von Leland Bardwell stellt der plötzlich auftauchende Sohn der Irin Nan deren eigentlich glückliche Ehe mit ihrem Mann Jim infrage. Seán, der inzwischen Charles heisst, wurde von ihr vor 30 Jahren in London zur Welt gebracht, als sie gerade 16 war. Diese Tatsache an sich ist in einem Land nicht weiter ungewöhnlich, in dem es noch Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts so gut wie unmöglich war, auf legalem Weg Verhütungsmittel zu bekommen und Abtreibungen bis heute verboten sind. Allerdings ist die Existenz dieses Kindes Nans Geheimnis geblieben. Erst als sie überraschend einen Brief erhält, in dem ihr mitgeteilt wird, dass ihr Sohn Kontakt zu ihr aufnehmen möchte, erzählt sie Jim davon.

 

Die Autorin schildert einfühlsam und spannend, wie schnell eine harmonische Ehe zu bröckeln beginnen kann und dafür Schweigen und gegenseitiges Unverständnis die Oberhand gewinnen. Als Charles dann auch noch in Irland auftaucht, wird der Druck geradezu unerträglich, keiner der drei Beteiligten scheint sich mit den neuen Gegebenheiten zurechtfinden zu können. Dabei bleibt leider besonders die Figur des Charles seltsam eindimensional.

 

In der eigentlich eher subtilen Erzählweise, in der der Roman verfasst ist, tauchen ab und zu Sätze auf, die stutzen lassen. Beispielsweise duckt Nan „sich auf dem Klavierstuhl. Düster und kafkaesk“. Oder Jim sieht in Nan „etwas, das er nur als «Substanzverlust» bezeichnen konnte“. Nun ja, da fragt man sich, ob so viel bedeutungsschwangeres Beiwerk wirklich notwendig ist. Trotzdem ist der Roman durchaus lesenswert, da er uns gekonnt vorführt, was wir natürlich eigentlich schon wissen: Beziehungen sind fragil, in der Regel reicht da weniger Dramatisches als ein bisher unbekanntes Kind, um die Harmonie nachhaltig zu zerstören. Aber Hoffnung gibt es ja schließlich immer, also auch für Nan, Jim und Charles.

 

Katrin Zabel

 

Leland Bardwell: Mutter eines Fremden, aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser, Verlag C. H. Beck 2004, 237 Seiten