25. August 2022

da-dass-war



„Waren es Robinien, wehte her vom See, was die Blätter beben, an den Stielen flimmern ließ, hell, als wären ewig, glichen sich die Tage, da sie still sich reihten, lange, bis dann lag gelb verblasst in Scharen, leuchtend nach dem Regen all dies späte Sagen, Wanken und Entbehren.“


Der lang erwartete neue Band von Michael Donhauser erscheint bei Matthes & Seitz Berlin unter dem Titel Wie Gras. Man kann bei solchen kurzen Wie-Benennungen nur schwerlich nicht an Steffen Popps Geniestreich Wie Alpen denken. Donhauser bietet aber keinen Gedichtband an. Er bietet auch keinen Prosaband an, jedenfalls nicht ganz. Stattdessen eine mathematisch präzise durchkomponierte „Legende“, bei der, in textlänglicher Anmutung von einer Miniatur, eine ziemlich gegeneinander verdrehte Urvariation eines einzigen Satzkonvoluts dargeboten wird, repetitiv und beinahe maschinell mit einem gleichbleibenden Vokabular als Akteursliste gefüllt. Lose um Naturbeschreibung, Maria, eine Romanze und ihr Ende schlingt sich Donhausers komplizierte Komposition, die sich in keinem Falle schnell lesen lässt. Zu unnachgiebig hakt der jeweilige Anschluss der Bausteine, sperrt sich die Grammatik, die Partizipherrschaft. Jedoch offenbart ein genaues Lesen nicht unbedingt einen erhellenden Tiefenmoment, im Gegenteil: Eigentlich verblasst jedes Stück dieser Legende beim weiteren Sezieren. Es geht eher um genau die klangliche Unfassbarkeit des ursprünglichen Ganzen, vielleicht ein Text, der (romantisch) schauspielert, nicht um ein Stück für Stück zu entwirrendes Bild im Subbild – das gibt es nicht. Die Sprache ist beschreibend, nicht schreibend, was sie trotz ihrer tonal-klanglichen Qualitäten eher in die Prosa rückt. Es gibt eine Abfolge, eine Dramaturgie, wie ein um ein nicht ausgesprochenes Problem kreisendes Neuansetzen, kein Ende, keinen Beginn.


„Blieb dann lange unbewohnt, was zuweilen kehrte wieder, war ein Zimmer, abgeschieden, das im Schein der Sonne lag, hell gestreift von Jalousien oder dämmernd, dass wir ahnten, wie uns rührte das Verlangen, durch die Jahre an dies Sehen alles Sagen zu verlieren.“


Das „Sagen ans Sehen“ zu verlieren, scheint programmatisch für diesen schwer zu klassifizierenden Schreibhabitus Donhausers, irgendwo gefangen. Wie Gras ist dicht & letztlich dicht am Hermetischen, das sich selbst keinen Durchbruch gestattet.

Jonis Hartmann

 

Michael Donhauser: Wie Gras, Matthes & Seitz, Berlin 2022