28. Februar 2022

auf dem fehler entlangrasen


Olaf Probst veröffentlicht im Gutleut Verlag eine weitere Bucharbeit. Als mittlerweile 19. Band der Reihe Staben trägt sie den vollen Titel das box 69c [die buch / der konglomerate]. Es ist eine groß angelegte Lyriksammlung, die dieses Genre, wenn man so will, zunächst bedient & dann durchbricht. Gedichte aus den 1980er Jahren, die noch ein wenig nach PostBrinkmann riechen, sehr konkrete Poesie, läuft schließlich in einen Status, in dem das Wort nurmehr allein als Material der Bildenden Kunst aufgeht – eine konsequente Bewegung. Zeigen die ersten Gedichte, die sich in Listen, Samples, Übersetzungsvarianten ergehen, bereits ein unterschwellig spürbares Unvertrauen in Dichtung an sich, auch ein Kleben am Vordergründigen der Wortbedeutung, gelangen die späteren Wortboxarbeiten, die komplexen Collagen & Textverarbeitungen in ihr eigenes, unabhängiges Fahrwasser. Die wohl Stärksten der versammelten Arbeiten sind die von Anfang an im Band zwischenkomponierten Wortwiederholungsgrafiken, bei denen bis zur Unkenntlichkeit ein Terminus verlistet wird, sodass sich eine grafische Aussageebene hinzuschaltet, z.B. durch verstetigte Moiré-Effekte.


In hörwerbungsworte verknüpft Probst Fremdgefundenes zu einer neuen Partitur. In den post - its geht es auf Antiklassikerreise in Richtung eigenen Zettelkasten / Boxen weiter: „there is two thinks in the world, the love and the word“, desgleichen in brachen der produktion. Zusätzlich dazu kommt es nicht nur hier, im Buch, zu einer Nabelschau aus Notaten, Probst hat immer wieder einzelne Fitzel, Reste oder Eröffner als Anzeigen in Zeitungen geschaltet, über Jahrzehnte, den Texten ihre eigene semi-anonyme Existenz zugestanden. „ – aber hier neiniert sich das subjekt durch sich selbst durch die neination des subjekts durch sich selbst – “


In der immer drastischeren Textfolge, die häufig in Domänen von Wortsalat in Miniaturschriftgröße (& darüber hinaus) dringt, ergibt sich paradoxerweise eine Verfestigung des Umgangs, Probsts kritischer Position nämlich, mit dem Wort an sich gegenüber. An dieser Stelle reagiert die Komposition des Bands erneut & lässt, wie Selfies, unprätentiöse Texte von Probst in den mcloops über Atelierleben, Tätigkeiten, Boxen einfließen. das box 69c wird damit durchaus zum Werk eines kalkulierten Noise. Ein sehr radikaler Vertreter von Buchkunst in der Reihe Staben.


Jonis Hartmann


 
Olaf Probst: das box 69c, Gutleut Verlag, Frankfurt 2021

http://www.gutleut-verlag.com