Ostentative Vergeudungen
Das Thema Ökonomie hat Bataille zeitlebens umgetrieben. Mit gewollter Naivität versuchte er in verschiedenen Veröffentlichungen, einige lediglich Fragment, sich einer Teleologie von Ökonomie zu nähern. Eigenartigerweise stellt er dabei das „Ökonomisieren“ selbst nie infrage, den Mehrwert zu schaffen, hielt er für axiomatisch. Mehr noch: „der Gebrauch, den [die Gesellschaft] von diesem Überschuss macht, macht sie zu einer bestimmten Gesellschaft“. Nur an ebenjener Frage, was damit anfangen – nämlich nicht sparen, investieren, wachsen etc. – grätscht Bataille mit einem romantisch-verstiegen anmutenden Kurs dazwischen. Er plädiert dafür jeden Mehrwert ostentativ zu verschwenden, zu verausgaben, in einem Wort „zu opfern“, wie zur Antike o.Ä.
Warum genau, wird sich selbst nicht in letzter Instanz eingestanden bzw. vermeidet Bataille beim Namen zu nennen in einem an sich Bataille-untypischen Wissenschaftsanspruch. „Ich insistiere auf der Tatsache, dass es allgemein gesehen, kein Wachstum gibt, sondern nur eine luxuriöse Energieverschwendung in vielfältiger Form!“ In seinem neuveröffentlichten Band Der verfemte Teil, interessiert er sich für ein wildes (von damaliger kolonialistischer Anthropologie beeinflusst) „potlatch“-Szenario genauso wie für „aztekische, lamaistische, muslimische“ Taktiken der Verausgabung von Vermögen (des „verfemten Teils, der für die gewaltsame Verzehrung bestimmt ist“), um sie gegen das waltende kapitalistische militärisch-industrielle Einschöpfen in Nationalismus in Stellung zu bringen (1947), letzteres wiederum nicht unscharfsinnig – die Entwicklung zu Kaltem Krieg & die bis heute daraus resultierenden Verwerfungen / Krisen verschwommen vorweggenommen. Den Stalinismus verteidigt Bataille hingegen als „bahnbrechend“.
Das Buch mutet bizarr an, nicht weil Bizarrheit nicht genau das Terroir Batailles wäre, bizarr, weil es genau nicht von jenem exzessiven Batailletexter-Impetus verfasst worden ist, sondern von einem labilen gewollt-wissenschaftlichen Duktus, der sich nicht mit der mythischen Quelle seiner Kunstgedankenwelt & literarischen Ambition verträgt. Mit anderen Worten, Motivation & Gestalt arbeiten aneinander vorbei. Das sieht auch das Nachwort von Benjamin Noys. Noys schreibt: „Bataille gesteht, es sei seltsam, ein Buch zu schreiben über etwas, das sich nicht aufschreiben lasse, das exzessiv und unkontrollierbar sei. In der Tat durchzieht dieses Paradox sein gesamtes Werk, das ständig darum ringt, einem Exzess freien Lauf zu lassen, über den es unentwegt Buch führt und den es somit kontrolliert.“ Der verfemte Teil versucht zu sagen, statt zu zeigen. Es ist nicht das essentiellste Stück eines ansonsten hochemotionalen Werkkörper.
Jonis Hartmann
Georges Bataille: Der verfemte Teil, Matthes&Seitz, Berlin 2021