5. Januar 2022

Ich habe keine Wörter, ich habe Materialien


Peter Zumthor, der sich als Architekt & in Person immer ein wenig als Kultfigur geriert – das gilt besonders für seine Schriften wie für seine Art des Sprechens – hat mit der Ausstellung Dear to me einen kuratorischen Raum bestückt, in dem im Kunsthaus Bregenz und der ETH Zürich 2017/18 ein monatelanges Programm aus Ausstellungen, Performances, Konzerten sowie von ihm geführten öffentlichen Interviews und Gesprächen stattfand. Die Transkriptionen dieser Gespräche / Sprechweisen liegen nun gesammelt in einem Heftschuber (Scheidegger Spiess) vor. Sie sind von eigenartiger Handschrift.


Gäste aus Philosophie, Komposition, bildender Kunst, Fotografie, Literatur usf., denen sich Zumthor verbunden fühlt, stellen sich seinen Fragen. Tatsächlich kommt es in den meisten Fällen zu überraschenden Volten im Sprechen. Zumthor stellt seine ihm eigene Mischung aus Offenheit bei seltsam selbst-redigierter Sprechweise unter Beweis. Er fragt u.a. „Machst du jetzt gerade Dinge?“ oder „Können Sie mir bitte die Vögel näherbringen?“ Er versucht die Materialfrage in anderen Medien zu erörtern, fragt explizit nach der häuslichen Herkunft der Gesprächspartner:innen, meint damit die räumliche Herkunft, um an Schilderungen von Häusern zu kommen, „die sich gut anfühlen (lassen)“, womit sich sein eigenes Thema herausschält:
„Seitdem ich Häuser baue, versuche ich immer, sie so zu setzen und zu gestalten, dass sie uns dazu anregen, die Geschichte des Ortes wahrzunehmen.“


Ein dichtes Gespräch ist mit dem Buchhändler & Liedermacher Walther Lietha entstanden, dessen Buchleidenschaft Teil der Ausstellungsinszenierung ist, eine temporäre Handbibliothek im Museum. Lietha und Zumthor nähern sich, über das Abwerfen von „Prägung“, einer gemeinsamen Auffassung von produktiver Offenheit, die in gutem Zusammenhang steht zu den Themen der anderen Gäste der Reihe, die je auf ihre Weise offene Orte ephemer oder begehbar schaffen & gestalten. Mehrfach fällt der Satz, dass die Gesprächspartner:innen gern mit Zumthor tauschen würden, was anscheinend auf Gegenseitigkeit beruht. Letzterer würde beispielsweise „Das Haus vor dem Hintergrund Adalbert Stifters“ bauen-denken. Wo stünde dieses, ist eine Frage, beziehungsweise ist es nicht lange schon vorhanden? Der Gesprächsschuber jedenfalls ist im Zeitalter jedweden digital recordings ein bisschen Stifter.
Jonis Hartmann

Peter Zumthor: Dear to me, Scheidegger Spiess, Zürich 2021

Scheidegger Spiess