27. Dezember 2021

STELLT EUCH VOR, ES IST KRIEG ...


Von Wolfgang W. Timmler

 


LARS: In der Zeitung ist ein Bild von einem Hochhaus. Hinter dem Gebäude hat eine Bombe eingeschlagen, und es sieht so aus, als hätten einige Hausbewohner weiße Bettlaken rausgehängt.

MARK: Stimmt. Das könnten weiße Bettlaken sein.

GITTE: Das ist Wäsche, Wäsche auf dem Balkon.

MARK: Denkst du?

LARS: Wahrscheinlich sind das Bettlaken auf dem Balkon, aber dass sie da hängen, halte ich für ein Symbol. Die Hausbewohner wollten damit etwas ausdrücken.

MARK: ”Hier nicht angreifen. Wir ergeben uns.”

LARS: Genau.

GITTE: Die Bettlaken hängen aber nur auf den Balkons, nicht vor den Fenstern.

MARK: Du meinst, das sei Wäsche, die man zum Trocknen aufgehängt hat?

GITTE: Ja.

LARS: Also, ich weiß nicht, ich sehe das anders. Hier hängen die Leute bei Fußballspielen doch auch Transparente vor die Balkons.

MARK: Ich sehe das genauso.

GITTE: Ihr macht euch beide was vor, ehrlich.

LARS: Stell’ dir vor, du bist Kriegsfotograf und suchst ein interessantes Bild, dann würdest du doch auch das Hochhaus aufnehmen, oder?

GITTE: Das ist Wäsche auf dem Balkon.

MARK: Ich finde, man kann das Bild so lesen, wie Lars das tut.

GITTE: Das ergibt aber keinen Sinn.

MARK: Wieso nicht?

GITTE: Bomben kennen kein Pardon.

MARK: Und wenn die Leute dort gegen den Krieg sind?

GITTE: Auf einem Balkon hängen auch bunte Tücher.

LARS: Gut, es ist üblich, Wäsche auf dem Balkon zu trocknen, aber wenn es tatsächlich Wäsche ist, die dort auf den Balkons hängt, dann ist es schlecht um die Symbolik bestellt.

MARK: Ich habe das Bild genau wie du gesehen.

GITTE: Das brennende Gebäude hinter dem Hochhaus ist eine Kaserne. So steht es jedenfalls in der Bildunterschrift.

LARS: Ich habe mir die anderen Gebäude noch gar nicht angeschaut. Das ist also die Kaserne, das flache Gebäude mit der Rauchwolke.

MARK: Ich habe die Bildunterschrift nicht gelesen.

LARS: Ich auch nicht. Ich habe gedacht, das Hochhaus sei eines der typischen Angriffsziele.