Die Insel
Eine Erzählung
von Felix Wünsche
Pa ist mit Handwerkerklamotten und einem Werkzeugkasten vom Baumarkt zurück. Mir hatte er aufgetragen, alle Zangen, Schraubenschlüssel und was wir sonst an Werkzeug haben, aus dem Keller zu holen.
„Sie haben die Inseln am Montag für Touristen gesperrt, weil es nicht genug Intensivbetten gibt“, hatte Ma gesagt, heute Morgen, ungeduldig, ihr Handy in der Hand.
Jetzt, zwei Stunden später, stehen wir alle drei im Esszimmer. Mattes Licht liegt auf der Tischplatte, Ma und Pa stehen sich gegenüber am Durchgang zum Wohnzimmer, ich lehne in der Tür zur Küche.
„Ich will auf diese verdammte Insel und wenn ich dafür den Klempner spielen muss.“ Ist Pas Idee. Seit zwei Tagen redet er davon, hat mit Gustav telefoniert, hat Ma ignoriert, der das gar nicht passt.
„Das ist lächerlich, Christian, ich mach das nicht mit, hörst du?“, deutet an sich runter. Der Blaumann, in den sie unter Protest geschlüpft ist, schlabbert ein wenig um ihren trainierten Körper. Gab nur Männergrößen, hat Pa gesagt, ihr die Ärmel zurechtgezupft. Selbst steht er in Latzhose da, auch blau, drunter eins seiner Hemden, maßgeschneidert, feiner Stoff, eine Arbeitsjacke hat er in der Hand, sie eben demonstrierend hochgehalten, grau mit verstärkten Ellbogen in Schwarz. Ein zweiter Overall liegt für mich auf dem Tisch, gleiche Größe wie der von Ma. Reizt mich irgendwie da reinzuschlüpfen, zu spüren, wie sich das anfühlt.
„Ist mir völlig egal, ob es lächerlich ist. Hauptsache, es funktioniert. Und das wird es. Die Klamotten zusammen mit dem Reparaturauftrag von Gustav. Die werden das schlucken. Ganz sicher.“
„Keine Chance, wirklich nicht“, sie schüttelt den Kopf.
Pa schmeißt die Jacke auf den Tisch. „Ich lass mir das jetzt nicht kaputtmachen.“ Fährt dann etwas runter. „Komm schon, du musst mitziehen. Es war überhaupt nicht einfach, Paul und die Anderen dazu zu kriegen, dass ich drei Wochen von außerhalb arbeiten kann, sowieso haben sie das nur wegen Corona akzeptiert, weil das Büro zu ist. Da lass ich mir doch jetzt nicht von ein paar eierköpfigen Politikern die Butter vom Brot nehmen.“
„Man muss auch mal einsehen, dass was nicht geht.“
„Muss man nicht. Das ist Verlierer-Denke. Wenn man nur will, kann man immer was für sich erreichen.“ In Strumpfsocken, die Hemdsärmel offen, halb über seine Hände gerutscht, tigert er die paar Schritte zwischen dem Tisch und dem Durchgang zum Wohnzimmer hin und her. Sieht zum Kaputtlachen aus, ein Foto traue ich mich aber nicht zu machen. Die Spannung im Raum hält mich gepackt, hält auch das Grinsen drinnen.
„Es ist verboten. So ist es nun mal.“ Kein Ton, den Pa gut verträgt, bin ich mir sicher. Sie aber auch nicht. Zieht sich einen der Essstühle heran, lässt sich darauf fallen, weich, samtgepolstert, streckt die Füße aus, Absatzschuhe zum Blaumann, hellbeige Fersenriemen, Kalbslackleder hat die Verkäuferin gesagt, ich war mit ihr shoppen, habe eine coole Jacke abgestaubt. Zittern ein bisschen ihre Beine. Weil sich hier alles aufstresst, gar nicht mehr gut zu ertragen, hasse ich, echt, Ma, Pa, muss nicht sein, oder?
„Kann ja sein. Aber eine Regel ist nur so viel wert wie die Maßnahmen, um sie durchzusetzen. Und wir probieren einfach, wie es darum bestellt ist. Kommen wir auf die Insel, gut, wenn nicht, fahren wir zurück und machen uns hier ein paar schöne Tage im Garten. Das ist doch nur fair.“ Pa ist stehen geblieben, spricht ruhiger, mit seiner Consultantstimme. „Auf keinen Fall ist es legal, die Freiheitsrechte so weitgehend einzuschränken, egal ob Pandemie oder nicht. Man muss nicht alles mit sich machen lassen. Und da ist es doppelt legitim, das auf die Probe zu stellen.“ Zwinkert uns zu. Ich mag sein Gesicht, die Wangenknochen sind ausgeprägt, die Nase schlank, markant wie bei einem Model, meistens trägt er Dreitagebart und das sieht auch echt gut aus. Er wäre ein Hit auf Instagram, aber da blickt er null durch. Hoffe aber, dass ich was davon abgekriegt habe, so richtig weiß man das noch nicht. „Was denkst du, Ben? Lust auf Strand und Nordseekrabben?“
Krabbenfleisch liebe ich total. Gibt es zwar auch in Hamburg, aber so lecker wie auf Sylt ist es nicht. Keine Ahnung. Schneller Blick zu den beiden, Mas Sitzstreik, Pas Wille. Voll präsentable Story, wenn es klappt. „Wäre schon irgendwie cool, so auf die Insel zu sneaken. Würde mich interessieren, ob die drauf reinfallen. Wäre doch ziemlich witzig.“ Pause. Mas Blick ausweichen. „Aber drei Wochen dort oben sind ein bisschen lang, finde ich, so ganz ohne Leute.“
„Siehst du, Ben ist auch dafür.“ Und zu mir. „Du kannst gerade sowieso niemanden treffen und im Internet rumhängen kannst du dort auch.“ Seine Augen glänzen, innen bellt es, wild wie ein Rudel Jagdhunde, die an den Leinen zerren, Witterung aufgenommen haben, fahrig, toll.
„Christian, Mensch, sei doch bitte vernünftig. Und du auch, Ben. Andere halten sich auch an die Regeln. Wie du gesagt hast, wir machen uns hier ein paar richtig nette Tage, ich organisiere uns was Schönes.“ Wirbt um ihn, dass er sie einfängt, diese hechelnden Hunde, hat sie aber gar keine Chance, weiß ich. Pa ist ein Draufgänger, lässt sich nicht abhalten, wenn er was will, einen Weg dorthin sieht. Straight. Ziemlich cool. Ma hat das mal verantwortungslos genannt, aber eigentlich bewundert sie ihn heimlich dafür, glaube ich zumindest.
„Die haben doch alle einfach nicht die Eier. Keine Ideen, keine Kreativität. Die sitzen zu Hause, furzen in ihre Sessel, schimpfen auf die Regeln, würden sie aber sofort brechen, wenn das ohne Risiko möglich wäre. Ist doch so.“
„Es muss einfach nicht sein. Nicht jetzt, nicht in dieser Situation mit dem Virus, nicht, wenn es verboten ist. Wir können zurückstecken, dieses eine Mal.“ Ma zittert jetzt richtig. Ist ihr zu viel. Schwappt voll rüber, Hochspannung, knallt mir durch die Nerven. Kopf runter, tippe in mein Telefon: Klempner Kleidung.
„Können wir nicht, kann ich zumindest nicht, will ich auch einfach nicht. Herrgott Nicole, ich habe doch gesagt, ich muss mal raus hier. Ist mir auch völlig wurscht, was die Anderen denken, interessiert mich nicht. Ich schufte mich ab, die ganzen Jahre, am Anfang hatte ich eine Luftmatratze im Büro zum Schlafen, damit ich morgens gleich wieder loslegen konnte. Das war vor deiner Zeit, interessiert dich vielleicht nicht, aber ich hatte Stress, hab Stress bis zum Geht-Nicht-Mehr und mir steht das zu, ganz einfach, nach den ganzen Entbehrungen all die Jahre. Wir halten uns von allen fern, gefährden niemanden, was soll dieses ganze Theater. Und ehrlich, ich habe genug zu tun, mein Leben in der Spur zu halten, jeden Tag muss ich dafür kämpfen, denkst du vielleicht nicht, ist aber so und die Anderen können mir einfach mal gestohlen bleiben“ Er hat nicht geschrien. Zum Glück nicht. Laut gesprochen, hektisch, die alte Story mit der Luftmatratze, kommt immer in solchen Momenten, wie schwer er es hatte. Hat mit dem Finger auf Ma gedeutet, wie mit einem Dolch oder so. Macht mich fertig. Hätte besser nichts gesagt.
Am Ende hat sie eingelenkt. War ihr einfach zu viel, denke ich. Hat, „okay, okay, okay“, gesagt, dreimal, „dann fahren wir eben“. Kofferpacken, Pa sein Surfkram, die Bretter sind dort in der Wohnung. Ich bin in den Arbeitsanzug geschlüpft, passt gar nicht mal schlecht, bin ziemlich groß. Pa hat sich die Hemdsärmel hochgekrempelt, er und ich Turnschuhe, Ma war nicht von ihren Absatzschuhen abzubringen. Bestimmt Trotz oder so. Viel gesprochen haben wir alle nicht.
Sie hat sich dann auch zu mir hinten ins Auto gesetzt, vorne auf dem Beifahrersitz steht der Werkzeugkasten, hoffe der beschädigt das Leder nicht. Drunter klemmt der Ausdruck von Gustav Petersen.
Irgendwann, waren schon raus aus Hamburg, hat sie rübergegriffen, meine Hand genommen, hält die jetzt echt eine ganze Weile, schaut durch die getönte Scheibe. Sonne-Wolken-Mix, das Wetter soll ganz gut werden die nächsten Tage, die Inseln sind wirklich für Touristen gesperrt, der Autozug fährt, aber mit reduziertem Fahrplan, habe ich alles gecheckt. Sind bald da, kenne die Strecke in- und auswendig. Pa rast, macht er immer, dagegen protestiert niemand mehr so richtig, ein Unfall mit einer S-Klasse überlebt man auch bei über zweihundert, sagt er dann, außerdem, sagt er, ist er ein guter Fahrer und wir sollen uns nicht so haben.
„Kommen wir mit unserem Schlitten durch?“, habe ich gefragt, „das glaubt uns doch keiner, dass wir Handwerker sind.“
„Warum nicht? Viele Handwerker fahren Mercedes. Ist das zuverlässigste Auto. Das wird schon.“
„Die Leute machen abgefahrene Sachen, um auf die Insel zu kommen.“ Stöbere mit der freien Hand weiter durch die Nachrichten.
„Was denn?“ Ma.
„Hier steht, dass sich Feriengäste von Insulanern in Niebüll abholen lassen. Die werden nicht kontrolliert, weil sie Einheimische sind. Ziemlich smart, oder? Richtiger Menschenschmuggel. Sich falsche Arbeitspapiere ausstellen zu lassen, scheint auch eine Sache zu sein. Wer einen Vertrag auf der Insel hat, darf anreisen.“
„Es reicht Ben.“ Pa.
„Was ist, wenn es nicht klappt. Die checken das doch sofort, bei dem, was da alles abgeht.“ Bisschen Schiss vielleicht, was ich da spüre.
„Das wird schon. Habe ich doch gesagt.“
Draußen das flache, grüne Land, lahm irgendwie hinter den dunklen Scheiben. Fühl mich komisch, merke ich mehr und mehr. Manche Leute eskalieren voll in den Sozialen Medien: Die totalen Egoisten. Ohne Rücksicht auf Andere ihr Ding durchziehen. Wie dreist ist das denn? Vermieter schmuggeln Gäste trotz Corona auf die Insel. Kaputte Hedonisten, denen nichts über das eigene Vergnügen geht. Mussdassein. Regeln gelten immer nur für die Anderen, alles klar. Betretungsverbot Nordseeinseln. Corona stoppen, Verantwortung übernehmen. … Die sind nur neidisch, würde Pa sagen, oder? Weiß nicht. Schon auch schräg alles. Vorher war ich aufgeregt, jetzt eben keine Ahnung. Nerven mich, diese anderen Stimmen. Ziehe meine Hand aus der von Ma. Einfach bisschen Musik hören, paar Fotos machen. Suche: Hedonisten, surfe noch weiter im Netz rum. Zu Fuß über die Fährverbindungen, wo keine Kontrollen sind, vorgeben, dass Angehörige auf der Insel pflegebedürftig sind. Von wegen, die Leute sind nicht kreativ.
Zur Autoverladung biegt man von der Landstraße ab, außer den Schildern weist nichts darauf hin, dass es hier auf die Insel geht. Kein Meer zu sehen oder so. Zwei Polizeiautos, Beamte stoppen Autos, die Richtung Kassenautomat fahren, dahinter steht der Zug. Pa schleicht regelrecht dahin, steuert mittig, sodass die Polizisten einen möglichst weiten Weg haben, einer kommt aber gelaufen, hebt die Hand, wir halten, Fahrerseite, das Fenster gleitet lautlos runter, ich schaue auf den Bildschirm von meinem Smartphone, starte die Videoaufnahme, so oder so wird das die perfekte Instastory. Herzschlag. Pocht.
Blaue Uniform, aber anders blau als die Handwerkerklamotten. „Guten Tag, Warlich mein Name, Polizeihauptkommissar. Ich muss Sie darauf aufmerksam machen, dass es seit Montagmorgen ortsfremden Personen ohne dringlichen Grund untersagt ist, die Insel zu betreten.“ Keine Emotionen, Distanz, der packt uns, wenn er uns kriegt. Der Werkzeugkasten, die nagelneuen Klamotten.
Pa lächelt gewinnend, sehe das nur halb, schaue auch wieder auf mein Handy, versuche unauffällig möglichst viel aufs Bild zu kriegen, auf jeden Fall habe ich das Audio. „Moin, Moin, Herr Kommissar. Danke für den Hinweis. Wir sind tatsächlich dringlich unterwegs. Meine Firma macht Heizungsbau und Sanitärtechnik und wir haben den Auftrag, in Keitum einen Wasserschaden zu beheben“, greift das Blatt Papier von Gustav, reicht es dem Polizisten raus. Gustav ist ziemlich okay. Er hat eine Agentur für Ferienimmobilien in Westerland und kümmert sich auch um unsere Wohnung. Pa und er gehen manchmal zusammen Surfen. Gustav ist ein ziemlicher Checker. Habe mir das Schreiben während der Fahrt angeschaut, der Auftrag ergeht an die Firma Christian Uebermuth, Hamburg, unsere Adresse, Unterschrift, Stempel, ordentlich ausgedruckt, sah gut aus, fand ich. Irgendwie zu gut. Ob ein Kommissar das durchblickt?
Der schaut einen Moment auf das Papier. Kopf kann ich nicht sehen, nur den Gürtel mit der Pistole. „Ich bin ganz in der Nähe in Altona aufgewachsen. Wir waren immer an der Elbe am Strand, fast direkt, wo Ihre Firma sitzt. Ist ja ein Zufall.“
Irgendwas ist jetzt in seiner Stimme, was, checke ich nicht. Ma aber, sie hakt sofort ein. „Wirklich? Meine Familie kommt auch aus der Ecke. Wo genau kommen Sie her?“
„Aus Ottensen. Wir haben in der Nähe der evangelischen Friedhöfe gewohnt.“ Straße, Schule, die gleiche Schule, auf die Ma gegangen ist, sogar der Direktor war derselbe. Pa ist zurück gerückt, sie hat sich zwischen den zwei Sitzen vorgebeugt, der Kommissar stützt sich leicht auf die Tür, freundliches Gesicht hat er, finde ich, glatt rasiert, schaut ganz wachsam trotz des Small Talks. Freut sich aber auch, das merkt man.
Ob er uns kriegt? Ist doch so voll offensichtlich. Ma klingt überdreht, Pa ist irgendwie abwesend, lächelt wie ein Pappkasper, totale Überspannung im Auto. Und ich, warum trage ich überhaupt einen Blaumann, Kinderarbeit oder was?
„Arbeiten Sie in der Firma mit?“
„Ja. Der Betrieb gehörte meinem Vater, mein Mann ist dann in die Firma eingestiegen, ich selbst bin wie mein Sohn hier im Betrieb aufgewachsen. Wenn Not ist, packen wir auch mal mit an.“ Krass, Ma.
„Ist ja verrückt, dass Sie die ganze Strecke aus Hamburg kommen.“ Sehe, wie Pas Griff um das Lenkrad fester wird. Der kriegt uns. Soll er ruhig, dann kann ich mit den Leuten in Hamburg abhängen. Der Polizist redet weiter. „Mein Schwager ist auch Klempner, hier in Dagebüll, seit die Reisesperre in Kraft ist, scheint es eine Epidemie von Wasserschäden auf der Insel zu geben.“ Schaut uns alle an, ich muss einfach grinsen, geht nicht anders, senke schnell den Kopf. Der kriegt uns so was von. „Er wird richtiggehend von Schadensmeldungen überflutet und die Leute bestürmen ihn, Bescheinigung auszustellen, dass die Eigentümer anreisen dürfen. Er meint, der größte Teil davon ist frei erfunden. Er hat sogar auf seine Webseite schreiben müssen, dass er damit nicht belästigt werden will.“
„Es ist verrückt, was die Leute alles versuchen, um auf die Insel zu kommen.“ Pa lächelt. Gewinnend. Macht er echt gut.
„Ja, für Einige scheint es einfach unmöglich zu sein, auf so etwas wie ein paar Inseltage zu verzichten.“ Der Kommissar zögert eindeutig. Schaut zu Ma, ich sehe nur ihren Hinterkopf zwischen den Sitzlehnen, sicher lächelt sie, Hamburgerin aus Altona, sie hätte verzichtet, Frau Uebermuth. Schaut auch zu mir, irgendwie zweifelnd, habe ich das Gefühl, schüttelt eindeutig leicht den Kopf. Richtet sich dann auf, gibt Pa den Ausdruck zurück. „Sie werden ja sehen, was sie erwartet. Frohes Schaffen. Ich hoffe, Sie haben nicht zu viel zu tun. Falls Sie einen Abstecher an den Strand in Westerland machen, dort kontrollieren wir auch, Sie sollten sich also ausweisen können. Grüßen Sie mir Ottensen, wenn sie zurück in Hamburg sind.“ Tritt einen Schritt zurück, winkt uns weiter.
Keiner von uns sagt etwas. Volles Adrenalin. Können es nicht fassen, oder? Nur nicht riskieren, dass er es sich anders überlegt. Ich stoppe das Video, mache ganz automatisch ein Foto, wie Pa am Kassenautomat zahlt, wie wir auf den Zug rollen. Sind nicht viele Fahrzeuge. Wir stehen oben, direkt vor dem Fenster auf meiner Seite hängt eine Kette als Seitenbegrenzung des Waggons, die Sonne bricht hervor, glitzert auf den Autodächern, der Zug rollt an.
Pa dreht sich zu uns um. „Geschafft. Hab ich es euch nicht gesagt.“ Triumphierend. Geballte Faust. Die Hunde drinnen in ihm hecheln erschöpft, aber glücklich. Haben gekriegt, was sie wollten.
„Nur, weil Ma aus Ottensen kommt."
„Das war mein Plan, die Kleidung und der Reparaturauftrag.“ So zufrieden. Seine blaue Latzhose funkelt, der Werkzeugkasten auch, der weiße Wisch von Gustav. Voll krass durchbetrogen.
Ma grinst ein bisschen. Megaerleichtert, dass die Polizei nicht mit dem Finger auf sie gezeigt hat. Dafür hat sie sich mal voll ins Zeug gelegt. Um nicht bloßgestellt zu werden. Happy ist sie aber nicht, merke ich, erleichtert vor allem.
Schweigen, jeder schaut raus. Hedonisten. Egoisten. Illegale Touristen. Der Zug fährt über den Bahndamm zwischen dem Festland und Sylt, es ist Flut, links und rechts das Meer, blau im Sonnenschein.
Fühle mich echt fad. Auch der Kommissar poppt immer wieder in meinen Kopf, sein Gesicht, die Zweifel. Warum hat er uns nicht aufgehalten? Hätte er das nicht müssen? Pa nicht durchkommen lassen damit. Oder uns. Voll die blöde Idee, eine Story auf Insta zu posten. Pa stellt bestimmt Fotos auf Facebook, weil er es so super findet. Lösche alles später. Das Video, die ganzen Fotos.
Der Zug wiegt sich ganz leicht, rattert dahin. Ich will, dass wir zurückfahren. Heute noch. Direkt, wenn wir ankommen, wieder umdrehen. Dann muss Pa eben im Garten mit uns hocken, mir auch egal.