Selbstbegeisterung
Rosa, Mint, Beige. Standardfarben, wie aus einem Copyshop-Angebot. Aus diesen drei gebrochenen Farbtypen baut Max Baitinger seinen neuen Comic „Happy Place“ zusammen. Mal als monochromer Hintergrund, Farbverlauf oder flächenfüllend, umrissen von seinem unverwechselbarem Strich. „Happy Place“ ist ein Sammelband von Anekdoten, die um die Suche nach dem richtigen Platz sowie den richtigen Freunden in der Welt kreisen. Eine Welt ohne Frauen- oder Männerliebschaften. Eine entspannte Welt aus gedeckten Farben, in der sich der Protagonist irgendwie zu Hause, auf jeden Fall nicht unglücklich fühlt. Ein selbstzufriedener Mann, den nichts drängt. Und dessen Selbstbegeisterung, setzt man den Autor mit dem Protagonisten gleich, sich auf die Beziehung zu Dingen seiner unmittelbaren Umgebung richtet und die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft mit einschließt. Nun ist Selbstbegeisterung für Künstler nicht das schlechteste Stimulantia, gerade dann, wenn er Max Baitinger heißt und einen daran teilhaben lässt. Seine Freunde aus der Vergangenheit heißen: Petzi, Super Mario und Chewbacca, mit denen er in Harmonie zusammenlebt. In der Gegenwart begeistern ihn verschiedene Arten von Inneneinrichtungen und architektonischen Nonlands, und die Zukunft setzt sich aus alten Computerspiel-Erlebnissen zusammen. Hier braucht einer keine echten Menschen. Nur einmal erscheint ein Kleinkind in einem Gitterbett, das darauf hindeuten könnte, dass es da noch ein anderes Sozialleben gibt oder wenigstens vorstellbar ist. So selbstgenügsam das vordergründig klingt, berichten die verhalten atmosphärischen Bilder doch immer auch von einer anderen, einsamen und aggressiven Gefühlsschicht. So wie die geknickten Bierdosen auf einem leeren Kinderspielplatz vor einem allzu schwarzen Himmel. Die nackte Glühbirne, an einem endlos lang erscheinenden Kabel. Der Blick auf eine Parkhausecke mit Graffiti – hier erscheint Architektur einmal mehr als eine Form von Strafe – vor einem kosmischen Sternenwunder. Oder die Gewaltfantasie, eine Zigarette auf den Computerbildschirm ausdrücken zu wollen, deuten dann doch auf ein bewegtes Innenleben hin – jenseits gediegener Melancholie, Traum- bzw. Albtraumwelthaftigkeit. Dem Autor scheint dies bewusst zu sein, so begegnet er der Aufforderung, eine gefühlvolle Verbindung zur Außenwelt mit dem Streicheln von Tieren aufzubauen, sarkastisch, indem er diese bei Schalentiere anzuwenden vorschlägt. Für solche Männer gibt es bereits einen Platz in der Weltliteratur. Den teilen sich bereits: Herman Melvilles Bartley, Iwan Gontscharows Oblomow und Joris-Karl Huysmans Jean Floressas. Und in diesem Sinne traue ich auch Max Baitinger einen großen Bilderbuchroman zu.
Christoph Bannat
Max Baitinger: Happy Place
Rotopol 2020
60 Seiten, gedruckt in vier Sonderfarben, 16,5 x 19,5 cm
Layflat-Bindung, fadengeheftet
Sprache: deutsch
ISBN 978-3-96451-016-7 18,00 €