15. März 2020

Muster des stillen Verkabelns

 

Das lyrische Debüt der Filmemacherin Ines Berwing hat etwas mehr als 30 Seiten, bemüht sich auch sonst um größtmögliche Verknappung. Muster des stillen Verkabelns ist bei hochroth Wiesenburg erschienen, und es geht, bis auf wenige Ausnahmen, einen konsequenten Weg durch szenische Blicke des Alltags, in denen sich gleichermaßen Kindeinschübe wie Sprachfortbewegung an der Hand halten. Mikroszenen wie „die steile karriere des knies“ oder „planlos mit allen zähnen im mund aufwachen“ und viele mehr leben ihr Eigenleben über den Gedichtzusammenhang hinaus. Haben Ohrwurmpotenzial.

Wo es an anderer Stelle knapp den Kalauer schrammt, ist der gesamte Fluss jedoch kernfrisch und kompromittiert sich nicht in Manieriertheiten oder Kitsch. Im Gegenteil, Berwing fängt eine sehr eigene und zugleich allgemein zugängliche Stimmung ein. Ich mach hier dies und das – und dann ist da aber auch ein großes Aggressionspotenzial – „am esstisch herrscht schweigepflicht“ – in den involvierten Räumlichkeiten und Personenkonstellationen wie Familie, Busfahrer, SpielgefährtInnen, das sprachlich angezapft wird und in (fast) allen Fällen gänzlich frei wird zur ungedeckelten Reise: „mein bruder baut sich einen mund“.

Berwings Stimme ist selbstbewusst, sie lässt sich nicht auf Moden ein, sie verlässt sich auf das, was zunächst disparat nebeneinander steht, aber im Nu „verkabelt“ sein kann. „zum einschlafen singt mutter den wetterbericht“. Muster des stillen Verkabelns gibt nicht viel preis. Welche Formen wird Ines Berwing als Nächstes auseinandernehmen? Ihr Debüt verspricht Interessantes.

 

Jonis Hartmann

 

Ines Berwing: Muster des stillen Verkabelns. Hochroth Wiesenburg 2019