22. Dezember 2019

Abgründe des Alltags


Der Bremer Autor Jörn Birkholz, Jahrgang 1972, der Geschichte und Kulturwissenschaften studiert hat, sammelt in seinem neuen Buch „Der Obermieter“ Geschichten aus dem Alltag, die einen Hang zu düsteren Wendungen haben. Mit bitterem Humor, oft als innerer Monolog oder in Dialogen geschrieben, erzählt er von den banalen Grausamkeiten und wie beiläufigen Abgründen, die sich hinter jeder Wohnungstür und jeder Stirn verbergen können.
Die Sammlung der insgesamt 25 Erzählungen ist angenehm kuratiert: Sie beginnt mit leichteren, kurzen Geschichten und geht dann über zu mehrseitigen Erzählungen, die teils untereinander Querverbindungen andeuten. Aufgelockert wird sie durch Aufzeichnungen von Telefongesprächen und E-Mails, die möglicherweise dem tatsächlichen Erleben des Autors und der Reaktion auf seinen Roman „Schachbretttage“ entspringen. In ihnen nimmt er sowohl sich selbst in seiner Rolle als Autor als auch Verlagshäuser und Buchhandlungen auf die Schippe. Nicht nur hier deutet sich eine autobiografische Grundlage für seine Texte an.
Insgesamt zeichnet Birkholz ein durchaus pessimistisches Bild, das von feinem, desillusioniertem Humor durchzogen ist. Das vermittelt die Einstiegsgeschichte „Zug um Zug“, in der der Protagonist der Einsamkeit seiner Wohnung an überfüllten Bahnsteigen zu entkommen versucht, ohne je in einen Zug einzusteigen. Das vermittelt auch die letzte Geschichte der Sammlung, in der ein hartes Porträt der Rostocker Nazi-Szene gezeichnet wird und die ebenfalls kein Entkommen in Aussicht stellt.


Lea Maria Woltermann

 

Jörn Birkholz: Der Obermieter. Erzählungen
Kulturmaschinen-Verlag, Hamburg 2019
249 Seiten, Taschenbuch: 16 Euro. Gebunden: 28 Euro

 

 

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