Lo-lo-lo-lo Lolo
Wolfgang W. Timmler
(Auszug aus dem Hörspiel "Überzeit")
TIPPEN AUF DER COMPUTERTASTATUR.
KUBA: Miep! Miep! Miep! Hallöchen! Mein Computer funktioniert wieder. Miep! Miep! Miep. Ich würde mich freuen, wenn sich einer mit mir unterhalten würde. Miep! Miep! Miep!
LO: Na, du? Wie geht's?
KUBA: Bestens. Und dir?
LO: Na ja, so lala. Nachträglich noch alles Gute zum Geburtstag, Cousin.
KUBA: Danke, Cousine
LO: Und? Geschenke schon umgetauscht?
KUBA: Aber klar doch!
LO: Gut.
KUBA: Ich bin heute so gut drauf, aber auch voll faul.
LO: Warum?
KUBA: Warum ich so gut drauf bin?
LO: Ja.
KUBA: Weil, ähm, keine Ahnung.
LO: Du übertreibst.
KUBA: Stimmt.
LO: Was machst du gerade?
KUBA: Musik hören.
LO: Was?
KUBA: Kinderszenen.
LO: Nie gehört. Schick' mir das mal.
KUBA: Schicken?
LO: Jawohl.
KUBA: Geht nicht.
LO: Hörst du die Musik nicht auf deinem Computer?
KUBA: Nein, auf Schallplatte.
LO: Kannst du die Musik nicht aufnehmen?
KUBA: Keine Verbindung.
LO: Wieso?
KUBA: Was wieso?
LO: Keine Verbindung?
KUBA: Kein Kabel.
LO: Wieso?
KUBA: Keine Ahnung.
LO: Du übertreibst schon wieder.
KUBA: He!
LO: Was "he"?! Oh! Oh! Oh! Der Herr Cousin ist eingeschnappt. Ha! Ha! Ha!
KUBA: Lolo El-lo-el-lo Lolo Lo-lo-lo-lo Lolo!
LO: He!
KUBA: Lolo! Das kann ich den lieben langen Tag singen: Lolo El-lo-el-lo Lolo Lo-lo-lo-lo Lolo!
LO: So! Jetzt hast du einen Eintrag!
KUBA: Wo?
LO: Auf deiner Seite, wo sonst?
KUBA: Wo genau?
LO: Du gehst zu deinem Gästebuch. Bist du?
MUSIKALISCHES MOTIV.
KUBA: Ja. Und weg ist er!
LO: Du bist doch wirklich ein Dödel! Warum machst du so was? Ich schreibe dir nie wieder was!
KUBA: Das kannst du, doch wehe dir!, es steht da wieder was mit Dödel!
LO: Ach, deswegen! Als ob du nicht Lolo zu mir gesagt hättest ---
KUBA: Okay, schreib' einen neuen, und ich laß ihn stehen.
LO: Später. Ich geh' jetzt erst mal was essen.
KUBA: Okay, guten Appetit.
LO: Danke.
MUSIKALISCHES MOTIV.
COMPUTERSTIMME: Es ist ein Fehler aufgetreten. Folgende Nachricht konnte nicht übermittelt werden:
KUBA: Okay, guten Appetit.
MUSIKALISCHES MOTIV
COMPUTERSTIMME: Der Nutzer Kuba hat das Forum verlassen.
TIPPEN AUF DER COMPUTERTASTATUR.
MUSIKALISCHES MOTIV.
COMPUTERSTIMME: Der Nutzer Andi hat das Forum betreten.
ANDROIDE: Charlotte? Du bist doch Charlotte?
LO: Wer will das wissen?
ANDROIDE: Du erinnerst dich nicht an mich?
LO: Nein, tut mir leid. Sollte ich?
ANDROIDE: Ich kann mich aber gut an dich erinnern.
LO: Schön für dich.
MUSIKALISCHES MOTIV.
COMPUTERSTIMME: Der Nutzer Andi hat das Forum verlassen.
LO: He! Bist du noch da? Halli! Hallo!!
MUSIKALISCHES MOTIV.
COMPUTERSTIMME: Es ist ein Fehler aufgetreten. Folgende Nachricht konnte nicht übermittelt werden:
LO: He! Bist du noch da? Halli! Hallo!!
TIPPEN AUF DER COMPUTERTASTATUR.
ERZÄHLER: Kuba war nicht zuhause, aber er würde jeden Augenblick zurückkommen. Plig wartete in seinem Zimmer auf ihn. Der Himmel hatte inzwischen alle Buntheit verloren, und es goß in Strömen. Der Regen würde Kuba bestimmt länger aufhalten, und Plig sah sich im Zimmer nach Lesestoff um. Auf dem Boden türmten sich Comic-Hefte und Bücher. Dazwischen schlängelte sich ein Strom aus bunt bemaltem Papier, der unzählige Filzstifte mit sich führte. Plig folgte den Bildern, die eine geheime Forschungsmission zum Merkur schilderten. Die Besatzung bestand aus dem Wissenschaftler Alexander Brockhaus, dem Androiden Q Zwo Null Sechzehn und Captain Wernher van Gerick, einem erfahrenen Kampfpiloten, der sich nichts aus Wissenschaft machte und ständig in Streit mit Brockhaus lag. Van Gerick hätte den Wissenschaftler am liebsten auf der Venus wegen Meuterei ausgesetzt und dann auf dem Rückflug wieder abgeholt. Schließlich scheiterte die ganze Expedition kurz vor Kubas Schreibtisch, auf dem ein neuer 3-D-Drucker stand.
KUBA: Wartest du schon lange?
ERZÄHLER: Kuba stand in der Tür. Die Haare hingen ihn um den Kopf wie blondes Meergras.
PLIG: Ungefähr eine Sternstunde.
KUBA: Und? Wie findest du den Drucker?
PLIG: Phan-plastisch.
KUBA: Ein Geschenk von meinem Onkel. Er ist übers Wochenende zu Besuch bei uns und kennt den Weihnachtsmann persönlich.
ERZÄHLER: Kuba betrachtete sein Spiegelbild im Fenster und schüttelte den Kopf. Mißmutig fuhr er sich mit den Fingern durchs nasse Haar.
KUBA: Meine Kusine Lolo ist auch da.
PLIG: Deine Cousine heißt Lolo?
KUBA: Nein, Charlotte, aber wenn du sie ärgern willst, mußt du Lolo zu ihr sagen.
PLIG: Der Papagei von meiner Oma ---
KUBA: Papagei ist gut. Im Wörterbuch steht, Lolo gleich ---
ERZÄHLER: Was im Wörterbuch stand, ging in einer Lachsalve unter. Pligs Freund ließ sich aufs Bett fallen und strampelte mit den Beinen wie ein Säugling. Sein Spitzname war Kuba, ein Name, der nichts bedeutete, wenn man ihn nicht kannte. Eigentlich hieß er Bernd Kupek.
KUBA LACHT.
KUBA: Lolo El-oh-el-oh Lolo Lo-lo-lo-lo Lolo!
KUBA LACHT.
ERZÄHLER: Der Regenschauer hatte aufgehört. Eine Woge aus Licht flutete ins Zimmer und verzauberte alles. Plig holte das Schachspiel vom Bücherregal und stellte die Figuren auf, während Kuba, von Lachkrämpfen geschüttelt, eine Zigarette anzuzünden versuchte.
ANZÜNDEN EINES STREICHHOLZES.
KUBA: Ihr Lieblingsfach ist Physik. Du weißt schon: Ein Körper übt auf einen anderen Körper eine Kraft aus.
PLIG: Du meinst, dir fällt ein Apfel auf den Kopf, und deine Cousine weiß, warum du Schmerzen hast?
KUBA LACHT.
ERZÄHLER: Sie knobelten. Plig bekam Weiß. Kuba grinste. Er wußte, sein Freund würde mit Weiß nie gegen ihn gewinnen. Sie waren mitten im Spiel, als es an der Tür klopfte. Es war Charlotte.
LO: Hast du eine Zigarette für mich, Kuba?
ERZÄHLER: Ihr Cousin nickte und bat sie herein. Charlotte setzte sich auf das Lexikon zur Technikgeschichte, das vor dem Bett aufgestapelt war. Plig gab ihr Feuer und nahm sich auch eine Zigarette. Kuba sah ihn erstaunt an. Er hatte seinen Freund noch nie rauchen gesehen.
ANZÜNDEN EINES STREICHHOLZES.
KUBA: Wolltest du nicht aufhören, Plig?
PLIG HUSTET.
ERZÄHLER: Sie sprachen über die Schule und wie die Hektik das Gefüge der Zeit auflöste und die Gegenwart unerbittlich die Vergangenheit und auch die Zukunft aufzehrte.
TICKEN EINER MECHANISCHEN STOPPUHR.
PLIG: Weißt du schon, was du in den Großen Ferien machst?
LO: Meine Tante in Australien besuchen. Sie hat dort eine Känguruhfarm.
KUBA: Wie ißt man denn in Australien die Känguruhs, Charlotte?
LO: Mit Messer und Gabel, denke ich.
TICKEN EINER MECHANISCHEN STOPPUHR.
ERZÄHLER: Charlotte zog an ihrer Zigarette und atmete den Rauch tief ein. Ihre Hände waren lang und schmal und wirkten zerbrechlich. Plötzlich schoß aus ihrem Erdbeermund ein dünner Rauchstrahl, der für Sekunden die Schachfiguren in hellblauen Nebel tauchte.
LO: Wer ist am Zug?
KUBA: Plig.
LO: Weiß gewinnt in drei Zügen. Darf ich?
ERZÄHLER: Plig nickte und fühlte, wie seine Wangen zu glühen begannen; eine Kraft wirkte auf ihn ein, ihre Kraft.
TICKEN EINER MECHANISCHEN STOPPUHR.
LO: Schach!
ERZÄHLER: Ungläubig starrte Kuba auf die weiße Dame, die seinen schwarzen König bedrohte. Er stieß graue Rauchwölkchen aus und wünschte sich, ganz weit weg zu sein, zum Beispiel auf der Venus oder - noch besser - in Australien, wo die Äpfel angeblich nach oben fielen.