24. September 2018

Kunst-Gewerbeschule Zürich

 

Eine der Ikonen des Neuen Bauens in der Schweiz, die Zürcher Kunstgewerbeschule, ist im letzten Jahr offiziell zurück in ihrem "guten Zustand". Saniert, restauriert mit allen Dingen, die man sich inklusive Rückbau von liebgewonnenen Gestaltungen der späteren Moderne erhofft. Eine begleitende Publikation, umsichtig und zurückhaltend gestaltet, versammelt Berichte zur Baugeschichte und fotografische Dokumentationen sowie Pläne zu den Maßnahmen an einem nicht immer unheikel verbauten Komplex. Wurde dieser zu seiner Entstehungszeit nicht nur mit Karikaturen verhöhnt und als Provokation abgeurteilt, ein übliches Schicksal damaliger Gestaltungsfronten – und heute absolut genauso denkbar, siehe beunruhigende Tendenzen zur Sonstwie-Tümelei (aber bloß nicht freundlich zu nicht rechnendem Denken sein) von Hamburg bis Frankfurt bis zu den Großen Seen und zurück –, gilt sie heute als exemplarisch für eine durchdacht angemessene Auffassung vom Bauen ohne jeden Formalismus. Dementsprechend führt der Band diesen Gedanken in seiner eigenen Gestaltung fort, mit Ausnahme des etwas verwirrenden Covers, das eine unruhige Assemblage verschiedener Perspektiven vorzieht, statt der sparsamen Totalen und Details der reichen Fotosammlung zwischen den Buchdeckeln.

"Unser Bijou ist der Saal", schreibt Prorektor Romeo Scheidegger in seinem Vorwort. Blättert man, findet man viele Bijoux: die Details der Geländer, Heizungen, der Fenster, die Materialität von Böden und Wänden ist schlicht und schlichtweg formidabel eingefangen. Nicht ein bisschen Farbe wird vorgesetzt, alle Räume wirken clean und gebrauchsfertig, vermeiden all things pink, und was sich auf diese Weise von allein in den Vordergrund schiebt, sind die Naturholzblätter der Türen in Maserungstönen oder die schönen neu-alten Typografien aller Warnungs- und Orientierungshinweise oder laufenden Trinkbrunnen auf den Verkehrsflächen.

Interessant sind die historischen Fotografien der Originalzustände der Schule, insbesondere die inszenierten Aufnahmen von Unterrichtssituationen an Transistoren, mit Kitteln und Max Bill in Aktion an der Tafel. Am ursprünglichen Entwurf 1930–1933 war mit Robert Maillart, einer der Hauptingenieursbaumeister seiner Zeit, beteiligt, die Planung übernahmen Adolf Steger und Karl Egender. Die jetzigen Restaurierungsarbeiten, bei denen in summa zum Glück auch die städtebauliche elegant wichtige Dachterrasse wieder zurück- und damit freigebaut wurde, haben Silvio Schmed und Arthur Rüegg besorgt, gleichzeitig die Herausgeber vom vorliegenden Band. Überhaupt ist der Aspekt des Rückbaus und die nicht immer klare Gemengelage zwischen Ursprung und möglicherweise heute schon denkmalgeschütztem Einbau oder Umbau Grund für einige clevere wie witzige Entscheidungen, zum Beispiel begehbare Einbauschränke mit Tageslichtlampen außen, wo früher Lichteinfall gegeben war, oder selbstentfaltende Brandschutztüren und hochgerüstete Bodenkanäle unter dem original nachempfundenen Kachel-, Linoleum- oder Holzbelag.

Ein wichtiges Bauprojekt, das hier mit bescheidenem wie auch reichem Material dokumentiert wird. Besonders die beigefügten Alt-/Neupläne zeigen auf, wie klar einige Zeiten in der Verbindung von Bauökonomie und Gestaltungswillen in der Lage waren zu handeln und sich gegen alle Widerstände, politisch wie monetär oder ästhetisch, durch zeitlose Qualität haben durchsetzen können.

 

Jonis Hartmann

 

Kunst-Gewerbeschule Zürich, Re-Restaurierung und Umbau für die Allgemeine Berufsschule Zürich ABZ, Scheidegger Spiess, Zürich 2018

 

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