24. August 2018

Kurt Thut – Protagonist der Schweizer Wohnkultur

 

Als weitere Katalogpublikation in der Serie der Protagonisten der Schweizer Wohnkultur ist die Monografie zu Kurt Thut bei Scheidegger & Spiess erschienen. Sie ist sorgfältig editiert wie ihre Vorgänger und besticht durch sichere und zugleich kritische Behandlung des Werks von Kurt Thut in seiner abwechslungsreichen und von Höhen und Tiefen durchsetzten Karriere. Der Band schafft es, durch eine Vielzahl unterschiedlicher biografischer Schwerpunkte, reportagenhaft die Stationen und Problemstellungen, mit denen sich Thut konfrontiert sah, zusammenzuführen. Man erfährt von seinen Anfängen im väterlichen Schreinerbetrieb, den Studienstunden in der bedeutenden Zürcher Kunstgewerbeschule mit u.a. Hans Bellmann als Lehrer und den zum Teil harschen Kopievorwürfen, denen Thut ausgesetzt war. Dabei scheint dies eine grundsätzliche Herangehensweise Thuts gewesen zu, eklektisch an formalen Entdeckungen von zum Beispiel Max Bill weiterzuarbeiten oder in ihrem Horizont gestalterisch zu navigieren. Die Gründung des berühmten Kollektivs Swiss Designfolgt in den 50ern sowie seine Hinwendung zur Architektur, mit zwei Einfamilienhäusern und dem Fabrikgebäude des Familienbetriebs. Schließlich nach verschiedenen wirtschaftlichen Krisen erst in 80ern der wirkliche Durchbruch Thuts als "spätberufener" eigenständiger Möbelkreator, dessen leichte Aluminiummöbel, von Flugzeugen und ihren Materiallösungen inspiriert, sowie seine Schermöbel aus ausklappbaren Holzteilen, wie der Stumme Diener, schließlich Designgeschichte haben schreiben und die eigene Möbelfirma, aufgrund ihrer materialorientierten, geschickten Effizienz, durch jede weitere Krise haben führen können.

Die Projektchronologie aus Stühlen, Tischen, Ensembles und Architekturen ist vorzüglich fotografiert. Sowohl neue Abbildungen in unaufdringlichen Koloraturen sind zu finden als auch die typischen 50er-Jahre-Repros, die fast alle von Thuts Freund und Hofgestalter/-typografen Alfred Hablützel besorgt worden sind. Sie sind derart präsent und expressiv in dem Band, dass die Monografie leicht auch eine parallele Geschichte von Hablützel erzählt. Dessen Plakate und Kataloggestaltungen, von denen viele hier abgedruckt sind, sind fabelhaft. Sparsam, filigran und exzellent gewichtet, geben sie die ganze Haltung und den Anspruch von Thut und Co wieder. Dessen Verwendung von Leder, Chrom und leichten Holzbekleidungen erinnert, wie im Text dargestellt, an Mies van der Rohe, und zwar nicht nur an dessen Möbel, sondern tatsächlich stark an dessen Architekturen selbst, wie das Farnsworth House, als Schraub- und Steckskelette aus glänzendem Stahl mit "entspannenden" Bezügen. Die Proportionierungen Thuts scheinen ein Hauptanliegen gewesen zu sein, und in der Tat sind sie von kühler Anmut. Die Aufrisse seiner Architekturen sind interessant, auch wenn die Grundrisse noch konventionell wirken und nicht unbedingt eine radikale Architektenhaltung in Bezug auf das Neue Wohnen vertreten. An den Originalfotos ist jedoch abzulesen, wie Thut in der Lage war, perfekte Innenraumensembles zu schaffen, bei denen Möbel, Proportionen und Materialien einander ergänzen, aufgreifen und sich verweben. Besonders auffällig ist jeweils die Deckenunterbekleidung aus bundlosen Holzlatten, die wie ein gespiegeltes Bodenparkett wirkt und ungewöhnliche, interessante Stimmungen evoziert.

Kurt Thut passt gut in die Reihe und seine Monografie ist eine Schatzkiste aus Fotos, Plänen, Snippets und Artikeln. Besonders die inspirierende Arbeit von Andreas Hablützel steht ihm gut zur Seite und lässt das besondere Licht einer gesamtheitlichen Haltung im Geiste des Swiss Design auf seine Arbeiten wirken.

 

Jonis Hartmann

 

Kurt Thut. Architekt, Möbelentwerfer und -produzent. Protagonist der Schweizer Wohnkultur, Hg. Joan Billing, Samuel Eberli, 160 Seiten, Scheidegger & Spiess, Zürich 2017. ISBN 978-3-85881-574-3

 

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