24. Oktober 2017

Das Ende der liegenden Acht

 

Als Erzählung untertitelt, ist dieser Tage bei Sisyphos Jörn Birkholz' Das Ende der liegenden Acht erschienen. Eine White-trash-Rostock-Fickfabel um einen Icherzähler, Clemens, der als derangierter, moralloser Dauerfreier durch die Lande zieht und wider Willen bei Birgit in ein Kammerspiel aus Mutter, Tochter, Ex, Bruder und Tochter Nummer zwei gerät. Sprachlich recht abstoßend ist schon nach den ersten Zeilen klar, dass man Clemens' unerträgliche chauvinistische Weltsicht und Dauerbewertung nicht lange hören/lesen will. Sein Tête-à-Tête mit Birgit entwickelt sich allerdings nach einiger Zeit zu einer interessanten, harten Nummer mit eigenartigen Verstrickungen wie aus einem Comic. Zusehends wird die Profillosigkeit und das Entscheidungsschwache von Clemens ihm selbst zum Verhängnis. Der, ähnlich wie in Pasolinis Teorema, Besucher mit der omnipräsenten Latte ist allerdings weder göttlich noch bringt er irgendeinem der Beglückten auch nur den Funken einer Verbesserung in das triste Leben aus Abhängigkeiten. Im Gegenteil, gerade wenn man durchaus mitzufiebern beginnt, wann das Arschloch endlich fliehen kann, überschlagen sich die Ereignisse und Clemens bekommt all seine Missetaten der vorangegangenen Seiten um die Ohren gehauen. Das wahrhaft Comichafte ist jedoch nicht dieser Teil der Rachegeschichte, sondern das unvermutete Einbrechen nicht nur eines zweiten Erzählers, ein Er, sondern auch das Auftauchen einer atomaren Wolke aus Brokdorf. Wie in DeLillos Weißes Rauschen betrifft dieser Deus ex Machina aus Wolken alles und jeden, apokalyptische Fluchtnachrichten schimmern über den Fernseher in der Wohnung, "Monolith" genannt. Das hundsgemeine, fast überstürzte Ende von Clemens ist dementsprechend over the top und trotz der ansonsten fehlenden Ironie genau das richtige Mittel, um diesen schwer zu greifenden Text aus Miesigkeiten quasi selbst auszuradieren. Unvermutet, überraschend und monströs ist Das Ende der liegenden Acht. Wer lakonische Klischees aus der Trash-Welt sucht, wird mit einer kleinen, aber unterhaltsamen Folge belohnt, die sich gut weglesen lässt, weil sie es schafft, trotz aller bedienten Vorurteile einen in sich stimmigen Zug aufzubauen, der in dem unbeschreiblichen letzten Drittel seines Gleichen sucht. Nichts für Gourmets.

 

Jonis Hartmann

 

Jörn Birkholz: Das Ende der liegenden Acht. 978-3903125162. Sisyphos 2017