16. Juni 2017

Technology is the answer but what was the question?

 

Über wenige Architekten wurde so viel diskutiert und debattiert wie über Cedric Price, der gemessen an seinen umgesetzten Projekten fast nichts gebaut hat und grundsätzlich im Gegensatz zu vielen seiner diesbezüglich verwandten Kollegen wie Bernard Rudofsky, Christian Norberg-Schultz oder Paul Virilio nicht als Theoretiker verstanden werden wollte. Im Park Books Verlag ist nun eine vorzüglich recherchierte Werk- und Ideenschau des 2003 verstorbenen Price erschienen. Autorin Tanja Herdt beleuchtet in vier Kapiteln und einem Nachwort die verschiedenen Seiten und die Evolution von Prices hochkomplexen Werk: Instrumente des Wandels, Das Gleichgewicht urbaner Kräfte, Ecologies und Die Architektur der anderen. Dabei geht sie wohlinformiert chronologisch vor und startet mit dem wohl bekanntesten und dem einzigen noch erhaltenen Gebäude von Price, dem London Zoo Aviary von 1964. Es handelt es sich um eine kühne Tensegrity-Struktur, die viel von Prices Mentor Buckminster Fuller übernommen hat, der sich später von dem Projekt distanzierte, gleichwohl es den Durchbruch für Cedric Prices eigenes Büro bedeutete. Seine beiden daran anschließenden großen Projekte, der Potteries Thinkbelt und vor allem der immens populäre, nie umgesetzte Fun Palace (ab 1964) werden zu Recht ausführlich in der Folge diskutiert. Sind sie doch die entscheidenden ersten Projekte, die neben ihrer pophistorischen Bedeutung und ihrer Würdigung durch Theoretiker wie Reyner Banham (ein enger Freund von Price) die Kybernetik und nutzeradaptierte Flexibilität in widmungsoffenen Innenräumen zu verbinden suchten. Bekanntermaßen ließen sich Renzo Piano und Richard Rogers beim Centre Pompidou entscheidend von den Überlegungen und Grafiken Cedric Prices zum Fun Palace beeinflussen. In den weiteren Kapiteln wird deutlich, wie stark Price in der Lage war, mit Schlagworten als Operatoren eines übergeordneten Systems zu arbeiten und seine Projekte, die sicherlich dem Denken heutiger Think Tanks Vorreiter sind, verbal zu profilieren und zu strukturieren. Konzepttitel wie The City as an Egg, Fun, Ecology, McAppy, Multi-Use, No-Plan, Inter-Action, Generator oder Polariser führen ein Eigenleben längst über Cedric Price hinaus. Sie sind, wie auch sämtliche anderen angesprochenen Projekte im Buch, mit einer großen Anzahl Originalgrafiken angereichert und dokumentiert. Es ist ein Verdienst von Tanja Herdt, nicht nur kundig jeder Spur in Cedric Prices enigmatischem Denken/Gestalten nachzugehen, sondern seine spezielle grafische Herangehensweise aus Collagen, Skizzen und Montagen in einem ganz eigenen Stil irgendwo zwischen Yona Friedman und Archigram akkurat zu reproduzieren, in den originalen Farben, Plänen, Polaroids. Für einen fundierten historischen Überblick sowie als vertiefende Ideen-Evolutionsstudie eines bedeutenden Vordenkers der Flexibilität, Selbstbestimmung und Nutzersteuerung von Architektur und Stadträumen eine essenzielle Publikation.

 

Jonis Hartmann

 

Tanja Herdt: Die Stadt und die Architektur des Wandels: Die radikalen Projekte des Cedric Price, 206 Seiten, Park Books, Zürich 2017, ISBN 978-3038600459

 

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