5. Juni 2017

D-Dorf Part II

 

D-Dorf Part II – Prepaired Piano von Hauschka und Pianostücke von Roedelius: „What If“,  „Piano, Piano“

Avantgardistische Tracks

Der Komponist Volker Bertelmann ist auch der Musiker Hauschka. Und seine Alben gehören zum Avantgardistischen der aktuellen Düsseldorfer Musikszene. Hauschka spielt als Pianist und Instrumentalist einerseits mit altbekannten und andererseits mit neuen Ideen: Beats verschieben sich, Ebenen sind ineinander verschachtelt. Raum kann quasi vom Track abfallen, wird in einer Info ergänzend erklärt. Repetitive Elemente ziehen sich durch die Musikstücke. Dinge, die man aus Minimal Music und Krautrock kennt. Also aus klassischer Musik und Rockmusik. Aus dem Klanglabor Hauschkas kommen akustische und elektronische Experimente, wie man das seit Jahrzehnten von manch Düsseldorfer Sound-Magier kennt.

Exile-Experiments

Hauschkas derzeitige Klang-Collagen sind nicht so sehr fürs Chillen, sondern sind nervös-angespannte musikalische Experimente auf präpariertem Piano und mit einem Moog-Instrument. Seine in Musik umgesetzten „Raum- und Zeitgedanken“ des derzeitigen Albums bekamen den Titel „What If“. Die neuen Stücke sind eine Abgrenzung zu Orchestersätzen und Neo-Klassik von einigen von Hauschkas bzw. Bertelmanns Kompositionen vorhergehender Jahre. Obwohl seine akustischen und elektronischen Versuchsräume Bezug haben zu Vorläufern aus den 60er und 70er Jahren – Bands wie Can, Cluster usw. – ist „What If“ völlig im Hier und Jetzt. Und meint sogar, in die Zukunft zu blicken mit komplexen Themen. Themen, die man dann aber wiederum bei genauerem Betrachten schon aus früheren Veröffentlichungen anderer kennt. Vielleicht deshalb heißt ein Track „We Live A Thousand Years“. Tradition, Wiederholung, Avantgarde, Neue Musik ... „I Need Exile“ heißt ein weiteres Stück. Hauschka ist in der Clubszene und in Konzerthallen zu hören.

Musikalische Möglichkeitsräume

Von Volker Bertelmann gibt es Kompositionen für Tanz, Theater und Film und neuerdings die Zusammenarbeit mit dem Amerikaner Dustin O’ Halloran. Von Hauschka kennen wir kontemplative Pianolinien genauso wie innovative Highspeed-Tracks. Hauschka erörtert utopische Ideen, geopolitische Fragen und ein breites Spektrum an Klangmöglichkeiten: einfache klare Pianoläufe, schön schräge Tastenklänge und irritierend knisternd und unruhig raschelnd Perkussives eines präparierten Pianos. Korken, Bälle oder Teelichte, Filzkeile, Holzstäbe sorgen für seltsame Klänge. Das hat eigentlich John Cage erfunden, der Inspirator für den Soundbastler Hauschka ist: „… einsam nah und doch weit weg“. Er teilt theoretisierend mit: „Ich wollte gewisse Aggregatzustände zulassen, ohne sie in etwas anderes zu überführen, wenn sie mir klanglich sehr gut gefielen.“ Musikalische Möglichkeitsräume von elektronischen Klangerzeugungsinstrumenten in Verbindung mit präpariertem Piano in Hauschkas Auslotung existieren schon seit einer Weile mit über 10 Soloalben und diversen Orchesteraufnahmen. 

Timeless: Facetten der Fantasie des Hans-Joachim Roedelius – um einen Pionier der Düsseldorfer Musikszene und der Pianomusik und Elektronikszene zu erwähnen.

Hans-Joachim Roedelius: „Regentropfen“, „In der Dämmerung“, „Einfach so“

Hans Joachim Roedelius, 1934 geboren, ist seit 1969 im Kontext von Krautrock, experimenteller Elektronik und Ambient mit Musikern wie z. B. Dieter Moebius, Conrad Schnitzler, Michael Rother (man denke an Neu!), Brian Eno aktiv. Bands und Projekte von ihm waren/sind Kluster/Cluster/Qluster, Harmonia, Aquarello und er gründete mit das Zodiak Arts Lab. 

Beim Label Bureau B findet man CDs damaliger Jahre von Roedelius. Sie zeigen manche Facette seiner umfangreichen Arbeit und zahlreichen, jahrzehnteübergreifenden Veröffentlichungen (beteiligt an ca. 170 Alben).

Feinheiten und Minimalismen

Die Soloalben „Wie das Wispern des Windes“, 1986 auf dem norwegischen Label Citada und „Piano Piano“, 1991 auf dem italienischen Label Materiali Sonori veröffentlicht, stellen Roedelius am Flügel vor. Tastenmusik pur und rein ohne jede Hinzunahme von Elektronik. Das ist verglichen mit dem experimentellen Elektronikbereich, in dem Roedelius heimisch ist, dann mit Klavieretüden manchmal sogar nicht unweit von romantischem Touch. Und doch auch präzise avantgardistisch-minimalistische Formstrenge mit integrierend. Klavierklänge, auch in Meditatives weisend, fast weltentrückt und doch auf Feinheiten konzentriert in einem Realismus, der zu einer zurückgenommen leisen, beobachtenden Position und Haltung gehört, die alles wahrnehmen kann. Klaviermusik der freien Improvisationen mit eingestreut repetitiven Minimalismen.

Zeitreisen und Idyllen

Musik, wie eine Zeitreise zurück in die späten 80er, frühen 90er Jahre. Ich blende beim Hören Sequenzen manch französischen Films ein, die ich sah, nordische Landschaftsfotografie, die mich neugierig machte auf den Norden, während ich immer wieder im Süden viele Wochen verbrachte, und deutsche Provinzidyllen, in die ich mich durchatmend zurückzog und entspannend Abstand vom hektischen Stadtleben fand.

Klaviermusik als eine poetische, melodische Welt für sich. In sich ruhend, nach nichts fragend, nichts fordernd, weit ins Introspektive, Introvertierte gehend. Wie einfach da, um alle Oberflächlichkeit und alles Nichtssagend-Redselige verachtend links liegen zu lassen. Der Schönheit und Unverbrauchtheit der Natur nahe, den Innenstädten mit ihrem lärmenden Großstadtgetriebe fern. Musik, die wegen ihres hohen Aussagegehalts zeitlos wird und weiter Bedeutung trägt.

 

Hauschka

„What If“

(City Slang, 2017)

 

Roedelius

 „Wie das Wispern des Windes“

(Citada, 1986)

„Piano Piano“

(Materiali Sonori, 1991)

 

© Tina Karolina Stauner , 2017