31. Mai 2017

Wilhelm Busch

Ausstellung, Kunstaele Berlin, Friederike Feldmann
Wilhelm Busch, Maler Klecksel
Wilhelm Busch, Original Federzeichnung, Die Irrlichter
Wilhelm Busch, Vorzeichnung Hans Huckebein, Kupferstichkabinett Berlin
Friederike Feldmann, Zeichnungen, Kunstsaele Berlin
Friederike Feldmann, Zeichnungen, Kunstsaele Berlin
Wilhelm Busch, Max und Moritz
Wilhelm Busch, Max und Moritz
Wilhelm Busch, Eispeter

 

Ich bin der Typ des intellektuellen Specksteinschnitzers. Ich fang jedes Mal mit einem Brocken Wirklichkeit an, im Gegensatz zum Typ Aufbaukeramik, und schäle dann Worte und Sätze aus diesem. Diese Ausstellung ist unterkomplex. Die Methode der Dekonstruktion steht zu sehr im Vordergrunde. Die Ausstellung verweigert sich einem Ganzen. Sie fragmentiert und will innerhalb ihrer Teilaspekte schlauer sein als das Original. Das Original heißt Wilhelm Busch. Werner Hofmann, Helmut Heißenbüttel oder Sigmar Polke, Letzterer eher indirekt, haben versucht, Busch in den Stand eines freien Künstlers zu heben. Keiner hat es geschafft. Dass Wilhelm Busch heute ein eigenes Museum gewidmet ist, hält ihn scheinbar von anderen Museen und dem Grand-Tour-Kunstbetrieb fern. Dabei sollte er ein Kunst-Bildungsstandard sein. Immer wieder wird Busch, sucht man nach volkstümlichen Äußerungen zu Futurismus und Kubismus, mit seinem Finale furioso aus dem Münchner Bilderbogen zitiert. Oder geht es um freie, abstrakt malende Künstler und Karikatur, so wird sein Maler Klecksel gerufen. Auch die Berliner Künstlerin Friederike Feldmann zitiert Busch. Sie nimmt sich den symbolträchtigen Tisch, der zwischen freiem Künstler (Maler Klecksel) und seinem Kritiker steht und fällt und an dem letztendlich beide wieder sitzen, vor. Sie isoliert und dekonstruiert das Alltagsmöbel und bringt es als Negativschablone an die Wand. Eine schlaue und verheißungsvolle Hommage, wie auch der Ausstellungstitel „Streich und Strich. Wilhelm Busch und ich“. Doch leider bleiben die Streiche in dieser Ausstellung aus. Ist es doch deren Kennzeichen, die Bahnen der Gewohnheit zu durchkreuzen.

 

Die Ausstellung in den Kunstsaelen Berlin ist in drei Räume aufgeteilt. In einem Raum zeigt Friederike Feldmann ihr handwerkliches Ich. In ihm hängen vergrößerte Busch-Anmutungen, mit Filzmarker gezeichnet. Der Eingangsraum zeigt eben jenen abstrahierten Tisch als Wandmalerei und im dritten Raum, einem kleinen Kabinett, sind Kopien von Vorzeichnungen Buschs zu „Hans Huckebein“ aus dem Berliner Kupferstichkabinett zu sehen. Mir erscheint die Ausstellung nach längerem Überlegen doch als eine im narrativen Sinne eine runde Sache, zwischen handwerklicher Anmutung, erzählerischer Abstraktion und Arbeit in Geschichte. Sie ist ein bruchlos schlüssiger Parcours der Vernunft, entlang der Begriffsposten von Recherche, Original und Reproduktion, Handschrift und Wiederholung. Die eigentliche Kunst aber bleibt Wilhelm Busch vorbehalten. Die Ausstellung ist schlau, bleibt aber unterkomplex. Hoch komplex dagegen Busch selbst. Bis heute ist es noch keinem gelungen, seine metaphysischen Metamorphosen zu entschlüsseln, heißt: treffender darzustellen als er selbst. So wenn Max und Moritz sich vom Organischen, zermahlen, ins Pflanzliche wandeln, um als (Raster-)Punktkonturen von Tieren verspeist zu werden. Wenn der Eispeter im Archiv der elterlichen Speiskammer landet oder Louis zu Eisgeröll zerschellt, weil sein Retter ihn hat unglücklicherweise fallen lassen. Einmal ganz abgesehen vom bösartigen Futter-Fallen-Sozial-Streich (vier mit Bindfäden verbundene Brotstücke), annonciert von einem Hahnenschrei. In dieser Ausstellung bleibt die freie Kunst auf der Stecke. Busch muss nicht dekonstruiert werden, damit sein freies Genie unterstrichen wird, es reicht, ihn in unseren Herzen und Köpfen zu vergrößern.

 

Christoph Bannat

 

 

Kunstsaele Berlin

Friederike Feldmann

Streich und Strich. Wilhelm Busch und ich

28.04. – 25.06.2017

 

Werner Hofmann

Die Karikatur

Von Leonardo bis Picasso

Philo-Verlag

 

Das Goldene Wilhelm Busch Album

Fackelträger-Verlag