23. Januar 2004

Vorsicht vor diesen Männern

 

Es knistert im Gebälk, etwas später auch im Garten. Dann knistert das Feuer, und es ist beinahe Liebe auf den ersten Blick, das heißt, es ist Liebe, aber leider nur einseitig. Robert (Christophe Malavoy) sieht zwar gut aus (man muss allerdings ein bisschen abstrahieren, der Anzug stammt aus den 80ern, überhaupt, diese schlimmen Klamotten, die einem dieser Film und ein bestimmter historischer Geschmack zumuten), aber er ist psychisch schwer angeschlagen. Ein Dauerschatten liegt auf seinem sympathischen, immer melancholischen, manchmal auch gequälten Gesicht.

Bekanntlich schreckt das Frauen gar nicht ab. Das weiß Robert auch, und deshalb sagt er der etwas naiven Juliette (Mathilda May), in deren Garten er sich immer mal wieder bei Dunkelheit rumtreibt und deren bloße Beobachtung ihn wunderbar beruhigt, dass sie sich bloß nicht in ihn verlieben solle, er sei ein schwieriger Mensch und gar nicht darauf aus, neue Bekanntschaften zu machen. Außerdem sei er gerade dabei, sich von seiner Frau zu trennen. Die beiden lernen sich trotzdem kennen, obwohl Juliette mit ihrem Freund Patrick zusammenwohnt, den sie in Kürze heiraten will. Aber dieser Robert hat etwas, was Juliette nicht loslässt. Ziemlich bald teilt sie Robert mit, dass sie nicht mehr daran denkt, Patrick zu heiraten.

Diese Entscheidung ist so desaströs wie der Anblick der Siedlung, in der Robert übergangsweise Wohnung bezogen hat, nachdem er Paris und seine Frau verlassen hat. Eine filmische Einstellung, ähnlich unheimlich wie die einzige bedrohliche Situation aus David Lynchs Film über diesen Alten, der seinen Bruder besuchen will und während der Fahrt auf dem Traktor einmal an so einem riesigen Silo vorbeikommt (The Straight Story). Patrick kann die Entscheidung nicht akzeptieren, er kämpft um Juliette und fordert Robert heraus.

In dem Moment, in dem der Kommissar auftaucht und das Ganze etwas Krimimäßiges bekommt (na ja, ist ja auch nach Patricia Highsmith), fällt das Niveau ab (die Sache mit dem Toten im Wasser). Oder aber Chabrol wollte gerade zeigen, dass da ein im Grunde ganz Unschuldiger, der etwas ins Rollen gebracht hat, alles Weitere aber überhaupt nicht mehr kontrollieren kann und will, von einer unerbittlichen polizeilichen Erkennungsmelodie überzogen wird, die vom Verhalten der anderen Beteiligten, vor allem von Patrick, der untertaucht, so verstärkt wird, dass die Hilflosigkeit Roberts beinah etwas Märtyrerhaftes bekommt, das durch den Selbstmord Juliettes noch weiter getrieben wird. Nicht umsonst bekommt Robert Prügel wie einst der Heilige Sebastian (die Pfeile sind durch Kugeln ausgetauscht). Ziemlich kolportagemäßig – aber so ist sie ja oft, die Wirklichkeit – kommt dann noch Roberts Frau ins Spiel, die sofort mit Patrick anbändelt, diesen bei seinem Amoklauf gegen Robert unterstützt und ihn, böse, wie nur Frauen seien können, auf einen gemeinsamen Rachefeldzug gegen Robert einlädt. Die Erinye und ihr Kompagnon laufen allerdings ins offene Messer, das sie sich selbst hinhalten. Und Robert kann nur noch fassungslos betrachten, was er mit seinem Voyeurismus im niemals ganz unschuldigen Garten angestellt hat. Der depressive Zauberlehrling. Diagnose: unheilbar.

 

Dieter Wenk

 

<typohead type=2>Claude Chabrol, Der Schrei der Eule, Frankreich 1987</typohead>