Unterwegs mit dem Textem Verlag
Winterthur, Kunstraum oxyd, November 2016
Im Rahmen einer Ausstellung zum Mythen des Alltags sind wir eingeladen, das Verlagsprojekt „Kleine Stimmungs-Atlas in Einzelbänden“ in Winterthur vorzustellen. Eingefädelt wurde das von unserem Freund Thomas Zacharias. Wir überlegen uns, wie wir am besten präsentieren, aber durch verschiedene Missverständnisse und Lücken in der Kommunikation wird aus einer großen Schau mit Plakaten im Foyer im Lauf der Zeit ein kleiner Imagefilm und drei Tage vor Abflug einfach ein Büchertisch – was uns aber eigentlich freut, weil es den Druck von unseren Schultern nimmt. Im Gepäck haben wir außerdem noch unseren Freund, Autoren und Künstler Armin Chodzinsky, der zum Thema etwas performen soll, aber am Vortag auch noch nicht genau weiß, wie, was oder warum wir da eigentlich hin fahren.
Etwas verunsichert fliegen wir also dennoch los, vor allem weil die Flüge schon bezahlt sind – und weil Nora und Björn sich doch entschließen, ihren Flug nicht anzutreten, und Armin überraschend doch per Zug anreist, haben Gustav und wir auch angenehm viel Platz im Flugzeug. Schlafen können wir bei Gustavs Freunden Julia und Ingo und ihren zwei Töchtern – Nina und ich schlafen in einem der Kinderzimmer, Gustav im Wintergarten.
Am Tag der Eröffnung sind wir also in Winterthur, haben zwar noch nichts von Armin oder Thomas gehört, wollen aber unbedingt noch vorher in die örtliche Kunsthalle, wo wir zu unserer Überraschung Thomas Zacharias am Schreibtisch antreffen, der hier arbeitet und Armin zu sich bestellt hat, ohne uns diesen Treffpunkt zu verraten oder zu verraten, dass er da arbeitet. Außerdem erfahren wir, dass der Kunstraum garnicht direkt in Winterthur ist, sondern in Wülflingen irgendwo in den Schweizer Alpen. Vom Bahnhof Wülflingen stapfen wir dann durch den strömenden Regen, die Bahnlinie entlang, bis zu unserem Kunstraum, der sich einem Stall-artigen Holzhaus befindet, der aber nach allen Regeln der Kunst zu einer Art Spa umgebaut wurde.
Wir sind begeistert von unserem Büchertisch, den Thomas Zacharias im Stil von Olafur Eliasson gestaltet hat und der sich in einem Sauna-ähnlichen Raum mit Holz-Verkleidung befindet, wo auch Armin performen soll. Das Problem dabei ist, dass zwei Freundinnen von ihm bei der Performance helfen sollten, aber wegen einer Mischung aus Agoraphobie und Klaustrophobie nicht zum Kunstraum kommen konnten, weshalb Armin einfach über einen von Thomas Zacharias vorbereiteten Track singt und spricht. Die ganze Veranstaltung ist ein voller Erfolg. Zurück fahren wir im festlich geschmückten Speisewagen und werden vom Kunsthallen-Chef auf Bier eingeladen, danach besuchen wir Thomas Zacharias, der sein Büro im Dachgeschoß einer Schloss-ähnlichen Residenz zufällig direkt neben unserer Unterkunft hat, und wo Armin in einer komplett leeren Kammer übernachtet.
Am nächsten Tag werden wir von Thomas Zacharias noch durch sämtliche Kunstinstitutionen Zürichs geführt, gehen dann Eislaufen zum Grand Hotel Dolder und stapfen wieder im strömenden Regen, vorbei beim Büchner-Grab, durch den Wald, zurück zum Flughafen.
Berlin, Cafe Burger, Oktober 2016
Weil irgendjemand aus dem Publikum in der Bar 439 den Abend gelobt hat, beschließen wir, in der selben Konstellation auch nach Berlin zu fahren. Wir haben nicht viel Zeit weil am Tag des Auftritts der Pinata-Workshop im JUZ stattfindet und Gustav am nächsten Tag bei Hör Zu und Gong arbeiten muss, weshalb wir einfach mit dem Auto und dem Singer/Songwriter Johannes am selben Tag hin und retour fahren, mit mir am Steuer.
Bei der Hinfahrt schon haben wir ein schlechtes Gefühl, weil wir einerseits die Abfahrt mit dem Burger King verpassen und deshalb total sauer und hungrig sind, und andererseits viel zu wenig Werbung gemacht haben, weshalb wir ziemlich große Angst haben, dass niemand kommt, was sich noch verschlimmert, als wir sehen, wie groß das Cafe Burger ist, und uns einfällt, dass wir ja diesmal aus irgend einem Grund 4 Euro Eintritt verlangen.
Als wir ankommen drückt mir Fabian eine ellenlange, schwer zu lesende Gästeliste in die Hand, die ich leider kaum entziffern kann, ich beschließe also einfach von jedem zweiten keinen Eintritt zu verlangen. Fabian liest dann vor etwa 15 Freunden, was wir mengemäßig okay finden, nach seiner Lesung gehen die meisten davon aber leider verführt nach Hause, was für den anschließenden Auftritt von Johannes sehr schade ist. Die Fahrkosten spielen wir durch den Eintritt aber trotzdem wieder ein und so können wir irgendwann um Mitternacht wieder ins Auto steigen. Beim Heimfahren passen wir extrem gut auf, die Abfahrt zum Burger King nicht zu verpassen – wir nehmen sie mit Leichtigkeit, Burger King hat aber leider schon zu.
Hamburg, 439, Oktober 2016
Wir veranstalten eine Lesung in einer Hamburger Bar, also Heimspiel und keine lange Anfahrt, was die Chance ja prinzpiell erhöht, mit Gewinn auszusteigen. Zusätzlich ist noch ein Singer/Songwriter dabei, der kapitalismuskritische Protestsongs mit Ukulele begleitet zum Besten geben soll. Beste Vorraussetzungen also. Wir bauen unseren Büchertisch auf, der mangels Beleuchtung den ganzen Abend leider komplett im Dunklen bleibt, und nachdem sich tatsächlich einige Gäste einfinden geht es los. Unser Autor Fabian Ginsberg, den ich vorher nicht kannte und der extra aus Berlin angereist ist, liest so verschüchtert und verhuscht, als hätten wir ihn mit Waffengewalt dazu gezwungen, was dem Text allerdings in keiner Weise schadet. Wir verkaufen sogar ein Exemplar.
Berlin, MISS READ, 2016
Mit viel Getöse fahren wir zum feierlichen Launch der 17. Ausgabe Kultur und Gespenster zur Miss Read, wo wir um 12 Uhr Mittags einen Sektempfang am Messestand geben. Das Vorhaben erweist sich vor Ort allerdings als Schwierigkeit, weil a) Hunde und b) Glasflaschen am Messegelände garnicht erlaubt sind, vier Flaschen und einen Hund bekommen wir allerdings am Ende doch hineingeschmuggelt. Um ein Uhr beginnt der Empfang mit Linzertorte von Nicole Messenlehner und psychedelischen Pullovern von Guido Reddersen, ohne Gäste allerdings, was uns erst zu stören beginnt, als uns die Pakete Eis davonschmelzen und unter der Tischplane nicht nur der Hund, sondern auch Schmelzwasser hervordringt.
Surreales Highlight des Samstags ist dann aber, als ein sehr alter, gekrümmt gehender Mann an unseren Stand kommt, sich interessiert über unsere Bücher beugt aber dabei leider überraschend viel Speichel verliert - und nachdem wir die völlig durchnässten Bücher getrocknet haben, noch ein zweites Mal vorbeikommt. Wir sind ausserdem sehr enttäuscht, dass diesmal gar nicht die "12 Aufgaben des Verlegers" gelesen werden.
Gleichzeitig mit unserer Rückfahrt spielt „La Mannschaft“ gegen die Ukraine, was nur insofern ein Problem ist, als dass die Autobahnraststation Stolpe, bei der wir eigentlich einkehren wollen, wegen des Spiels spontan dicht gemacht hat. Durch die Glastüre des tristen Bungalows sehen wir drei Männer an der Theke, die gebannt auf den Fernseher blicken, während wir im Regen stehen. Wir überlegen bis zur Halbzeit auf die Bedienung zu warten, fahren aber dann doch weiter. Den Rest der Fahrt hören wir das Spiel im Radio. Das 2:0 für Deutschland fällt, als wir gerade in Wandsbek ankommen (eine Abfahrt zu früh genommen) weshalb wir am Ende noch in einen Fan-Autokonvoi geraten. Wir hupen kräftig mit, können aber PS-technisch nicht mithalten.
Frankfurt, FOOKBAIR 2015
Der Textem-Verlag fährt auf die Frankfurter Buchmesse, toll. Gustav, Nina und Björn und die Bücher fahren vor; weil ich noch bis Freitag in meinem Brotberuf eingespannt bin fahre ich mit einem befreundeten Verlag, 1% of One, im Auto mit. Die beiden von 1%, Stefan Fuchs und Mitko Mitkov, haben sich extra für die Messe ein Buchbinder-Auto geliehen - natürlich mit Werbeaufdruck außen, was das ganze einerseits noch günstiger macht, uns andererseits zum Knaller-Slogan "Mit dem Buchbinder-Auto zur Buchmesse" inspiriert.
Erst im Auto erfahre ich, dass wir garnicht auf die richtige Frankfurter Buchmesse fahren, sondern auf eine Off-Messe namens Fookbair, die Tom Lamberty ins Leben gerufen hat (die richtige Frankfurter Buchmesse können wir uns nicht leisten). Ich bin ein bisschen enttäuscht. Außerdem erfahre ich im Auto, dass Frankfurt garnicht drei, sondern fünf Stunden von Hamburg entfernt ist (Ich bin neu in Deutschland), wobei es staubedingt dann doch sieben Stunden werden. Am Ende kommen wir dann ins Hotel direkt neben der Messe - neben der richtigen Messe allerdings.
Die Fookbair läuft ganz okay. Sie ist nicht sehr gut besucht, dafür kommen Gustavs Eltern und bringen Brote oder Kuchen, und Mitko Mitkovs Bruder, der in Darmstadt wohnt und den 1% Verlag beherbergt. Nachdem wir einige Zeit am Stand verbracht haben pfeift Tom Lamberty durch den Raum, durch den dadurch ausgelösten Tinnitus höre ich, es gäbe jetzt eine Performance. "Die 12 Thesen des Verlegers" werden wieder verlesen. Als ich danach zum 1% Stand schaue spielen Mitko und sein Bruder Schach und trinken Espresso, wobei Mitkos Bruder ihm den Espresso mit Salz statt Zucker vergällt (ein Streich).
Langsam geht die Messe zu Ende. Stefan Fuchs allerdings ist grün im Gesicht (schlechte Frikadelle gegessen) und muss dringend zu uns ins Hotel (wo er überhaupt nicht wohnt). Wir fahren ihn und lassen uns den Weg beschreiben - einfach den Straßenbahnschienen nach. Als die Schienen von der Straße abweichen, entscheiden wir uns für die Schienen und landen erst in der Remise, irgendwann aber dann doch im Hotel. Den Fernseher ziert ein riesen Fettabdruck, der uns irritiert. Sonst schlafen wir gut.
Leipzig IT'S A BOOK 2016
Die Fahrt nach Leipzig erinnert sehr an die Fahrt nach Frankfurt, weil auch hier erfahre ich im Auto dass wir garnicht zur richtigen Leipziger Buchmesse fahren, und auch hier stehen wir Ewigkeiten im Stau. Und auch diesmal fahren wir mit einem Buchbinder-Auto, allerdings ohne Werbefolie, weil Textem das Geld ja hat. Wir nehmen Almuth Hilf mit zur Messe, die sich mit uns den Stand teilt.
Das tolle an der Fahrt ist allerdings, dass wir kurz vor Leipzig an der selben Stelle von der Route abkommen wie im Jahr zuvor, was wir nur bemerken, weil Nina sich genau an den einen Bauernhof erinnern kann, der nach zehn Minuten Schotterpiste am Horizont auftaucht.
Während der Fahrt wird Almuth Hilf ausserdem ziemlich übel, so dass sie lieber gerne ein Stück zu Fuß gehen möchte, was wegen des Staus auch problemlos möglich ist. (Ich sehe ihre Übelkeit als Kritik an meinem Fahrstil).
Die restliche Fahrt ist doppelt stressig. Erstens müssen wir rechtzeitig ins Cafe Cortana, wo Kevin Rittberger seinen gerade erschienen Stimmungsatlas lesen soll, und zweitens ist sein Kind krank, weshalb er überhaupt nicht kommen kann. Wir versuchen deshalb während der gesamten Fahrt, einen Schauspieler als Ersatz aufzutreiben - am Ende lese ich selbst vor etwa fünf Gästen. Wir schlafen in einem sehr charmanten Appartment, leider ohne Heizung, weshalb alle ausser Björn, der mit Polarausrüstung ankam, sehr frieren. Die Rückfahrt geht zügig - so zügig, dass ich am Ende sogar geblitzt werde, an genau der selben Stelle wie Björn im Jahr zuvor.
Berlin, MISS READ 2015
Das besondere dieser Miss Read sind die Designer-Tische, die die Aussteller am Ende kaufen können. Wollen wir zwar nicht, aber Gustav schafft für die Messezeit noch einen Extratisch heran, auf dem wir uns selbst Knabbergebäck und Pfeffi servieren. Unser Praktikant Lennart darf, während er den Verkauf regelt und ein e-Book für uns bastelt, die "12 Arbeiten des Verlegers" auf der Hauptbühne vorlesen, weil Jan Wenzel aus irgendeinem Grund nicht da sein kann. Zum Dank bekommt Lennert ein Buch von Spector geschenkt, das am Ende Björn mit nach Hause nimmt.
Die Buchmessen-Party ist ein Reinfall, da sämtliche Gratis-Drinks bereits aus sind, als wir zur Bar kommen. Zum feierlichen Abschluss gehen wir dann zu acht Pizza essen, wo wir für Speisen und Wein für alle insgesamt nur 50 Euro zahlen, wovon wir heute noch allen Leuten begeistert erzählen.
Raphael Dillhof
ist Chauffeur des Textem-Verlags