20. Januar 2004

Wenn Ehepaare Bücher schreiben…

 

Dies ist kein sehr lustiges Buch. Es ist zwar amüsant zu lesen, in seiner Substanz jedoch ist es destruktiv. Das liegt daran, dass es ein Bestseller ist. Und dass die Leute daran glauben und ihr Verhalten danach ausrichten werden. Völlig unabhängig davon, ob das, was in diesem Buch steht, richtig oder falsch ist. Es hört sich eher „richtig“ an. Das hat wohl damit zu tun, dass wir in einer materialistischen Zeit leben. Dass wir zurzeit eher dem Glauben schenken, was im Einzugsbereich der Leitwissenschaft Biowissenschaft steht. Und nicht zuletzt damit, dass dieses Buch anschließt an Vorstellungen über Mann und Frau, wie wir sie alle kennen von früher vor der Zeit der großen Emanzipation.

Also: Es ist alles richtig, was man früher über den Mann gesagt hat, er will wirklich nur Sex. Und es ist auch alles richtig, was man früher über die Frau gesagt hat: Vom Manne unbemerkt gleitet in einer symbolischen Gleichung der Penis hinüber zum Kind. Die Reproduktion ist immer noch alles, so jedenfalls, ein wenig anachronistisch, will es die Bionatur des Menschen. Die Vorstellungen vom Menschen über sich selbst mögen sich noch so sehr gewandelt haben, die hormonelle Grundausstattung der Spezies Mensch hat sich in den letzten Jahrhunderttausenden (um es etwas abgekürzt zu sagen) nicht wirklich geändert. Und um die Hormone, so das Ehepaar Pease, dreht sich letztlich alles, das Denken, das Autofahren, das Einparken, der Flirt, der Fick, die Kommunikation, die Differenz zwischen Mann und Frau.

„Es gibt kein Geschlechterverhältnis“ – dieses psychoanalytische Urteil aus den 60er Jahren, das sich noch mit Mathematik und einem Formelarsenal ausstatten musste, um zu sagen, dass die Frau „nicht ganz“ in der Genitalität des Mannes aufgeht, dieses Urteil bezieht sein Substrat heute einfach daraus, dass das hormonelle Ausschüttungsverhältnis von Mann und Frau ein ziemlich anderes ist. Welche Wirkungen dabei entstehen – davon handelt dieses Buch. Und von wann diese datieren. Nämlich aus der Jägerzeit der menschlichen Spezies. Alles in allem schneidet der Mann, in Bezug auf heutige Sozialisationsstandards, sehr schlecht ab, bringt er doch aus der letzten entscheidenden Phase der hormonellen Verteilung, eben der Jägerei, nicht viel mehr mit, als einigermaßen gut und weit nach vorne sehen zu können und von daher ein leidlich funktionierendes, dreidimensionales räumliches Sehen entwickelt zu haben.

Gleicht man diese Vorzüge mit den heutigen Faktizitäten ab, dass mindestens die Hälfte aller Männer eine Brille benötigen und 3-D-Animationen ihm die Raumkompetenz abnehmen, weiß man eigentlich nicht, was der gute Mann überhaupt noch auf dieser Welt verloren hat. Im Grunde ist das auch die Meinung der Autoren. Mit seiner hormonell bedingten Aggressivität und seiner gesellschaftlich schon längst obsoleten permanenten Fickbereitschaft kann er kein wirklicher Partner der auf Harmonie, Freundlichkeit und Zärtlichkeit eingestellten Frau sein. Aber dank dieses Buches wissen wir auch, dass die Defekte und Vorzüge nicht auf persönliche Schuld oder Leistung zurückzuführen sind. Es ist, wie es ist, und wir wissen, warum es so ist. Der Weg ist frei ins hormonelle Hinterstübchen. Sie haben etwas falsch gemacht? Das ist nicht schlimm – das waren nicht Sie, die Hormone haben Ihnen mitgespielt. - Ach so, ich hab schon gedacht … - Nein, nein, nicht zuviel denken, Sie werden immer zu langsam sein im Verhältnis zu Ihrem wahren Regiment. Sie müssen sehr viel vergessen. Mann und Frau – das funktioniert eigentlich ganz einfach, auch und gerade weil es nicht passt. Wir werden nicht mehr aufhören, unsere gegengeschlechtlichen Mitmenschen mit Merkzetteln abzugleichen.

Aber es gibt einen Lichtblick (das steht aber nicht mehr im Buch): nämlich dass die biogenetische Uhr dereinst ein wenig schneller ticken wird. Dann wird’s vielleicht auch wieder ein bisschen spannender. Bis dahin: Ohren steif halten. Muss ja.

 

Dieter Wenk

 

Allan & Barbara Pease, Warum Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken, München 2000