11. Januar 2016

Wie aus der Pistole

  

„Was hast du da?“

„Nichts.“

„Was heißt nichts, das ist doch ’ne Pistole.“

„Das ist nichts, vergiss es.“

„Vergiss es! DAS ist ’ne Pistole!“

„Ja und, hast du ein Problem damit?“

„Und wie ich ein Problem damit habe. Ich will so ’n Teil nicht im Haus haben.“

„Ich werd schon aufpassen.“

„Was hat Papa da?“

„Nichts, Freyja, geh wieder in dein Zimmer spielen.“  

„Ich will aber, dass Papa mit mir spielt.“

„Der Papa spielt gleich mit dir, aber jetzt nerv nicht weiter, die Mama muss mit dem Papa was bereden. ERWACHSENENDINGE!“

„Na gut.“

Freyja geht widerwillig in ihr Zimmer zurück.

„Also?“

„Also was?“

„Was willst du mit der Pistole?“

„Uns beschützen.“

„Beschützen? Hast du sie nicht mehr alle. Wir sind hier doch nicht in Amerika oder in Syrien.“

„Das vielleicht nicht, aber Syrien ist jetzt bei uns. Und ich werde uns zu verteidigen wissen. Du weißt doch gar nicht, wer hier mittlerweile alles ungehindert einmarschiert. Und dann noch diese Übergriffe. Davon hast du ja gar keine Vorstellung.“

„Trotzdem, ich will keine Waffe im Haus und basta.“ 

„Die ist doch vollkommen harmlos. Sieh hier!“

„Spinnst du! Fuchtel mit dem Ding nicht vor meiner Nase rum!“

„Jetzt stell dich mal nicht so an, da kann doch gar nichts passieren, die ist gesichert.“

„Woher weißt du eigentlich, wie man mit so einem Teil umgeht?“

„Hat mir jemand gezeigt.“

„Wer?“

„Ist doch egal.“

„Nein, das ist nicht egal. Und von wo hast du die überhaupt her, du hast doch überhaupt keinen Waffenschein?“

„Ich brauch keinen Waffenschein, ich will uns ja nur beschützen.“

„Von wem hast du sie?!“

„Von so ’nem Typen im Kiez.“

„Na, das wir ja immer schöner. Dann bring sie ihm mal schön wieder zurück.“

„Gar nichts bring ich zurück!“

„Ich krieg Kopfschmerzen.“

„Mann Martina, nun glaub mir doch, das Ding ist vollkommen harmlos, schau doch …“

„Papa, kommst du jetzt endlich zum spie…“

Ein Schuss löst sich. Freyja verstummt. Blut tropft aus ihr auf den Boden. Nach dem Schock folgt das Heulen. Ein Streifschuss am Unterarm. Jod, Pflaster, Verband. Papa macht sich auf den Weg zum Kiez und bringt die Pistole zurück. Doch nicht registrierte Pistolen kann man nicht so einfach zurückgeben. Er nimmt sie wieder mit nach Hause. Hysterie! Er marschiert wieder los und wirft sie in die Elbe. Dabei wird er beobachtet und bekommt ein Bußgeld wegen Umweltverschmutzung. Er geht wieder nach Hause. Abends kommt ein Til-Schweiger-Tatort, doch weder Mama noch Papa ist heute danach.   

 

Jörn Birkholz