Null-Nummer
Klaus Wildenhahn, Dokumentarfilmer und Filmproduzent, wurde 1930 geboren. Zu seiner Generation zählen bildende Künstler wie Otto Piene, Heinz Mack und Günther Uecker, die zur international vernetzten Gruppe der ZERO-Künstler gehörten.
ZERO feiert gerade ein großes Comeback, die ZERO-Foundation stellt die der Gruppe assoziierten Künstler in einem noch nie (zumindest in Deutschland) dagewesenen Umfang vor. Aus den Luftschutzbunkern ins Licht fliehen, mit Nägeln "gesicherte" Häuser gegen den andringenden Feind positionieren wollen, dem Wirtschaftswunder ein Kunstwunder zur Seite stellen, der Nachkriegslangeweile Bewegung verschaffen, in archaische Räume vordringen, um dort in Kunst-Reservaten die Kunstabstellkammern qua Museen zu überwinden, den Status des prätentiösen Künstlergenies abschaffen, um mit fernöstlicher Hilfe etwas zu setzen, was größer war als man selbst, aber auch die informationstheoretisch abgesicherte Kunst wieder mit Wärme füllen – das waren Anfangs- und Fortschrittsgesten, die darauf abzielten, noch einmal, wie schon ein paar Jahrzehnte zuvor, von vorne anzufangen, tabula rasa zu machen, bei Null anzufangen, ohne Nichts zu sein, weiße Leinwände, mit erkennbaren Rastern, aber auch nicht zu klar, zu seriell, die Abweichung war schon mit berücksichtigt. Eine elementare Kunst, Feuer, Luft, Licht, vor allem Licht, "Lichtfänger" für "optisches Sprachmaterial" (Uecker). Es gab gemeinsame Ausstellungen, ambitionierte Kataloge, wenig Tragbares zum Mitnachhausenehmen. Das konnte nur bedeuten: Kunst als Beleuchtung qua Erleuchtung, zu Hause tanzt das eigene Lichtballett, etwas später entsteht Disco. In den Zerhackungen des Stroboskops mag Mack erinnert werden, Lichtquanten zerlegen Personalisiertes. Wichtige Stichwortgeber und ZERO-Teilnehmer waren Lucio Fontana und Yves "le Monochrome" (Klein). Die Zweidimensionalität war zu klein geworden: der Raum oder der Himmel dahinter oder darüber. ZERO war unglaublich positiv. Gläubig. Fortschrittsversessen. Ohne links zu sein. Das muss man erst mal hinkriegen. Aber dann, noch rechtzeitig, war ja auch Schluss, kurz vor '68, Selbstauflösung, vielleicht hatte sich das Vokabular aufgebraucht, die Idee der Reinheit konnte nicht mehr zureichend begründet und verantwortet werden, Kunst wurde plötzlich knallhart instrumentalisiert. Oder man trieb sein ironisches Spiel mit den auch politischen Ikonen (Warhol). Jetzt ist ZERO wieder zu sehen, im Lichthof (natürlich) des Martin-Gropius-Baus. ZERO war mehr als nur Piene, Mack, Uecker. Yves Klein kannte noch andere Farben als Ultramarinblau. Manchmal kam es auch zu Gemeinschaftswerken.
Klaus Wildenhahn, um abschließend auf ihn zu kommen, hat auch Gedichte geschrieben. Die sind jetzt in dem neuen Filit-Band zu lesen. Filmtheorie quasi als Dichtersprech. Aber das Cover ist wirklich toll.
Dieter Wenk (3-15)
Klaus Wildenhahn: Abendbier in flacher Gegend. Filmtheorie Nr. 4, Berlin 2015 (Verbrecher Verlag), Filit 14