21. Mai 2014

Monumentale Brocken

Ein distinguiert blickender Herr mit erhobenen Augenbrauen und gesenkten Lidern
Links im Profil ein Mann mit Vollbart, sehr zarter Nase und verkatert hängenden Augenlidern. Rechts im Profil ein amüsiert grinsender Mensch mit ausgeprägtem Höcker auf der Nase und runden Wangen
Die gleiche Szene, aber die rechte Figur bekommt mehr Licht. Ein sehr flaches bratpfannenartiges Gesicht ist es nun, der Nasenhöcker ist verschwunden.
Das Bratpfannengesicht von vorn mit nackenlangem vollem Haar und wirklich schwerer Kinn- und Halspartie
Ein Gesicht en face oder die Rückenansicht eines leicht seitlich gedrehten Torsos
Deutlich sichtbar die beiden Ellenbogen, runde Schultern, massige Wampe
Gesicht mit Hasenscharte
Noch mal das Gesicht, fletscht es die Zähne? Links oben spukt ein kleines Gesicht im Profil
Der Höllensturz von Rubens, zu einer Rampe geknetet
Links eine Person mit Überbiss und Pagenkopffrisur im Profil oder rechts ein Mädchen in verlorenem Profil mit langem Haar

 

Im Barlachhaus, gelegen im Hamburger Jenischpark, läuft zurzeit eine sehenswerte kleine Ausstellung des Schweizer Bildhauers Hans Josephsohn.

 

Besonders entzückt haben mich die monumentalen Brocken im letzten Raum der Schau. In ihnen spukt eine Komik, die erst sichtbar wird, wenn man sich an den Skulpturen entlangbewegt.

 

Die auf Fotografien gezeigten Ansichten zeigen schwer und würdevoll lastende Riesenbrocken. Spaziert man an diesen wuchtigen Brocken vorbei und um sie herum, fangen sie an „Gesichter zu schneiden“, und es ist wie mit dem Sternenhimmel, je länger man hinschaut, umso mehr Gesichter werden es. Oder andere Körperteile tauschen ihre Plätze und Funktionen, Arme werden Nasen, Brüste zu Glotzaugen, Arschbacken werden Doppelkinn. Ein gespitztes Mündchen wird, bewegt man sich nur wenige Zentimeter, zu einer spöttisch erhobenen Augenbraue.

 

Das Kriterium, mit dem Josephsohn selbst seine Skulpturen beurteilt und welches der Schau in Hamburg auch den Namen gibt, ist also überaus treffend: »Die Sache muss leben!« Das tut sie!

 

Nora Sdun

 

HANS JOSEPHSOHN
»Die Sache muss leben«

Barlachhaus, Hamburg
16. Februar – 15. Juni 2014