13. Mai 2014

Es lebe der Salon!

Alexander Hoepfner im Saloon, Berlin
Pola Fendel im Schlafzimmer Sandrock, Hamburg

 

Gab es vor wenigen Jahren noch über 30 freie Projekträume in Hamburg, ist der Takt, in dem zurzeit Neugründungen zu begrüßen wären, deutlich verlangsamt. Die Orte der 2000er Jahre gibt es zum großen Teil nicht mehr. Die Gründe dafür sind unterschiedlich, Kündigung von Seiten der Vermieter, Verwandlung der Projekt- in Galerieräume oder die ehemaligen Betreiber sind schlicht rausgewachsen. Lauter nachvollziehbare Entwicklungen, interessant ist, dass es so wenig Neugründungen auf dem Gebiet gibt. Stattdessen ist ein Phänomen zu beobachten, welches womöglich die Funktion der Projekträume zum Teil ersetzt: Junge Künstler und Studenten stellen in Privaträumen aus. Im Schlafzimmer, im gerade vakanten Zimmer des ausgezogenen Mitbewohners, im Wohnungsflur. Das Publikum solcher Veranstaltungen ist nicht wesentlich verschieden von dem öffentlicher Räume, das gilt auch für die ausgestellte Kunst, dennoch ist die Situation eine deutlich private. Die Einladungen zu solchen Veranstaltungen kursieren in kleineren Zirkeln, es gibt keinerlei Verbindlichkeit, etwa in einen bestimmten Rhythmus Ausstellungen ausrichten zu müssen, Interessenten können sich nicht um eine Ausstellung bewerben und es laufen keine Anträge auf öffentliche Gelder.

Projekträume haben sich, parallel zu politischen Initiativen, seit den 80er, 90er Jahren, stets über Oppositionen formiert: Man war gegen die Stadt, gegen das Establishment, gegen die kommerziellen Galerien oder gegen andere Projekträume. Ob die Behauptung der Opposition belastbar war, soll hier nicht das Thema sein, sie funktionierte als Behauptung und scheint derzeit nicht mehr zu funktionieren. Ein weiteres Spezifikum der Projekträume war, unabhängig von der gezeigten Kunst, der Informationsaustausch: Bestimmte Zusammenhänge und Auskünfte konnte man nur mitbekommen, wenn man sich zu diesen Ausstellungseröffnungen bewegte, ein Umstand, der aufgrund der massenhaften Nutzung diverser Social-Media-Tools obsolet geworden zu sein scheint.

Die gerade allerorten benutzte Rede vom Biedermeier, mit der man den Rückzug in die Privaträume bündig beschreiben könnte, ist für die Situation der Künstler aber nicht zutreffend, zu umtriebig und allerorten Tag und Nacht anzutreffen ist die Gruppe der 20- bis 40-jährigen Künstler. Ihre Initiativen sind auch von pragmatischen Einschätzungen getragen: Die Neugründung eines Projektraums bedeutet zu viel Aufwand und schränkt die eigene Beweglichkeit ein. Die Mieten für geeignete Räume sind schlicht zu hoch. Die Fördermöglichkeiten sind unattraktiv. Was aber noch schwerer ins Gewicht fällt, mag der Umstand sein, dass die Opposition zum Kunstmarkt uninteressant geworden ist. Auch nichtkommerzielle Projekträume orientieren sich an den Würdeformeln von Galerien, allerdings sind diese zunehmend suspekt, denn zu omnipräsent ist dort das fortgesetzte Geschwätz über einzelne Stars und die halluzinierten Geldberge, die den Besitzer wechseln. Warum sollte man sich in eine Situation begeben, in der man auch als freier Projektraum (für die kleinen und mittleren Galerien gilt das allemal) auf absurde Weise mit Großgalerien, Großsammlern und Großkünstlern konkurrieren muss, die man obendrein völlig uninteressant findet. Eine Opposition zum Kunstzirkus ist für junge Künstler lächerlich. Diejenigen, die eine Karriere auf dem Gebiet ins Auge fassen, sind sich, ohne die Situation zu affirmieren, im Klaren darüber, dass sie sich den Strukturen unterwerfen werden müssen, wenn sie Teil davon sein wollen. Deshalb macht man also lieber Ausstellungen im Wohnzimmer, denn so frei wie auf der Küchenbank wird man nie wieder sein.

Von den in uregelmäßigen Abständen stattfindenden Ausstellungen im privaten sind mir Folgende bekannt:

Pola Fendel hat in wechselnden Wohnungen bisher rund ein Dutzend Ausstellungen unter dem Namen „Am Gleise“ organisiert.

Im „Schlafzimmer Sandrock“ (der Name erklärt sich damit, dass das Bett in jedem Fall stehen bleiben muss), betrieben von Stefan Sandrock, konnte man bisher drei Ausstellungen sehen.

Das „Couloir“, eine Initiative von Yann Géraud, zeigte bisher eine Ausstellung.

Und ein weiterer privater Ausstellungsort wird 2014 eröffnen, „Cabinett H6”, diesmal nicht von Künstlern organisiert, sondern von Esther Schulte und Alexander Sairally, Letzterer mit langjähriger Galerieerfahrung. Ihre Entscheidung für ein privates Format entwickelte sich womöglich aus ganz ähnlichen Gründen wie für die Künstler. Die Würdeformeln der Branche sind hohl, teuer und der Auseinandersetzung mit Kunst eher hinderlich. Es lebe der Salon!

 

Nora Sdun (April, 2014)