23. November 2013

Tendenz: Konvergenz

 

Dass ein Lexikon innerhalb von 15 Jahren vier Neuauflagen erfährt, ist alles andere als selbstverständlich. Im Falle von Ansgar Nünnings Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie war es der „äußerst regen und positiven Aufnahme durch eine große Zahl von LeserInnen und RezensentInnen zu verdanken“, dass schon drei Jahre nach dem Ersterscheinen eine aktualisierte zweite Auflage vorgelegt werden konnte. Die fünf Vorworte des Herausgebers informieren über die Zielsetzung insgesamt und die jeweiligen Schwerpunkte der Berücksichtigung neuer Lemmata, z.B. die Akzentuierung der interdisziplinären und intermedialen Dimension der Theoriebildung oder die Aufnahme bislang nicht fokussierter literatur- und kulturtheoretischer Grundbegriffe.

In der Spanne zwischen 1998 und 2013 kamen auf diese Weise 150 neue Artikel hinzu, sodass das jetzige, in jeder Hinsicht sehr umfängliche Lexikon nunmehr 750 Artikel auf gut 800 Seiten umfasst. Die drei Schwerpunkte des Lexikons, die alle derselben alphabetischen Ordnung unterworfen werden, nennt der Untertitel des Werks: Ansätze – Personen – Grundbegriffe. Und schnell wird klar: Man muss unbedingt in diesem Buch blättern, denn es ist nicht nur ein Nachschlagelexikon, sondern auch eines der Entdeckung. Auch für Fachleute wird es vermutlich eine ganz Reihe von Lemmata geben, die nicht aufgesucht, sondern schlicht hier zum ersten Mal gefunden werden (etwa: Environmental Criticism, Kognitive Narratologie oder Translational Turn für „Ansätze“, Mieke Bal, Henry Louis Gates oder Murray Krieger für „Personen“ sowie Reintegrierender Interdiskurs, Homodiegetischer Erzähler oder Cultural Materialism für „Grundbegriffe“).

Natürlich haben bei diesem Lexikon viele verschiedene Autoren mitgewirkt, und nicht jeder Literaturwissenschaftler mag sich per se als Kulturwissenschaftler (und vice versa) verstehen, was zur Folge hat, dass dieses Lexikon zwei Fahrwasser hat, deren Trennlinie aber schon jetzt unscharf zu werden beginnt und vielleicht in einigen Jahren schon nicht mehr ins Auge fällt. Der eine oder andere Artikel mag ein wenig knapp ausgefallen sein, z.B. Adresse/Adressierung, aber was für den einen selbstverständlich ist, mag für den anderen Ansporn sein, die den jeweiligen Artikeln angefügten Literaturangaben abzuarbeiten. Wie auch immer: Das Angebot ist sehr reichhaltig, das Lexikon ist zu Recht auf breite Akzeptanz gestoßen.

Eine kritische Anmerkung: In dem Artikel Mise en abyme ist ein Autor unterschlagen worden, der nur in der Literaturliste auftaucht, nämlich André Gide, denn er war es, und nicht C.-E. Magny, der diesen Begriff prägte, und zwar schon in den 90er Jahren des 19. Jahrhunderts.

 

Dieter Wenk (11-13)

 

Ansgar Nünning (Hrsg.): Metzler Lexikon Literatur- und Kulturtheorie. Ansätze – Personen – Grundbegriffe, Stuttgart, Weimar 2013 (J.B.Metzler), 5. Auflage 

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