26. Juni 2013

Comic in der Kunst

Meatball (Ausschnitt) 1967, Robert Crumb
Meatball (Ausschnitt) 1967, Robert Crumb
Insomnia (Ausschnitt), Joseph Kosuth-Installation, Sprüth Magers Berlin, 2013
Insomnia (Ausschnitt), Joseph Kosuth-Installation, Sprüth Magers Berlin, 2013
Öyvind Fahlström, Meatball Curtain (for R. Crumb) 1969
Performing Krazy Kat No. 3. (Ausschnitt) 1965

 

Der Versuch, Comic und Kunst zusammen zu denken – in Bremen scheitert er einmal mehr. „Ein minderwertiges Genre“, so nannte der in diesem März verstorbene Kunsthistoriker Werner Hofmann, Autor des großartigen Standardwerks „Die Karikatur von Leonardo bis Picasso“, 1956, den Comic bei seinem Vortrag 2009 in Hamburg-Harburg. Ein widerständiges Zwitterwesen nenne ich es, das sich der Wertschöpfung durch Bibliotheken und Museen beharrlich widersetzt. Auch im Museum für moderne Kunst Weserburg, Bremen, wird das deutlich. Hier wird freie Kunst unter dem bildgebenden Einfluss von Comics gezeigt.

 

Für Künstler und deren Anhängerschaft bietet der Comic immer noch einen ästhetischen Zugriff auf das Reservoir profaner Alltags- und Volksmythen. Um diese in den Stand staatlich geförderten Erinnerungskultur zu erheben. Dabei scheint der reine Comic zu komplex, um museumstauglich zu sein. Dieser Gedanke kommt einem jedenfalls bei solchen Ausstellungen, begleitet von der Vermutung, dass die Macher hier einfach nicht denken wollen. Heißt: neue Verbindungen glaubwürdig darzustellen oder zu trennen. Anstelle dessen wird hier nur in Form ästhetischer Ähnlichkeit gedacht. Also wie Schrift, Bild und Erzählungen in der oberflächlichen Erscheinungswelt von künstlerisch wertvollen Standbildern auftreten. Freie Künstler sind so bekloppt wie ein nasses Toastbrot und handwerklich zu dumm, einen Eimer Wasser umzukippen. Dafür bekommen diese hilflosen Einhandsegler theoretischen Begleitschutz von einer ganzen Armada, nebst Beibooten, die ihnen bei Wellengang unter die Arme greift, auf dem Meer des Kapitals. Wird ihnen doch nahegelegt, blind auf dem Meer des Lebens zu navigieren, stehen sie doch für das Andere, Unbewusste, noch zu entdeckende Land ohne Namen. Wobei es sogar als hilfreich erscheint, den eigenen Auftrag eben nicht zu kennen, gehört dies doch zum gesellschaftlich verabredeten Rätselkunstmythos. Welcher sich erst durch freies Machen zeigen soll. So wie man erst am Ende des Lebens wissen wird, wofür man gelebt habt – nur lebt man paradoxerweise, solange man am Leben ist.

 

Comickünstler kennen anders als freie Künstler ihren Auftrag. Sie haben sich um den Satzbau ihres 3-D-Figurenalphabets, szenische und dramaturgische Linienführung, Worteinsätze, Bildfolgen, Layout, Lettering, Kolorierung und Drucksetzung zu kümmern. Denn das fertige Druckexemplar ist ihr Original. Und es gibt, anders als in der freien Kunst, keine Reisekultur zum Original. So gibt es bei ihnen auch keine Heilsversprechen und Erlösungsfantasien, wie sie der freien Kunst unterstellt werden. So heißt es, dass wenn man Gegensätze und Widersprüche schon nicht im Leben, so doch wenigstens formal mit Mitteln der freien Kunst lösen kann – natürlich mit der unausgesprochenen Hoffnung, dass sich diese dann auch im Leben auflösen, ein Glauben an die Kunst als Therapie und pädagogisches Mittel. Comicworkshops nähren diesbezüglich nur die Hoffnung, Herr/Frau seiner Geschichte sein zu können, indem man sie beschreibt und bezeichnet. Wie es der autobiografische Comic vorgelebt hat. Komplizierter wird es beim Industriecomic, dort spielen Editoring, Writing, Inking, Lettering und Artwork bandartig zusammen und verwischen die Grenzen der Autorschaft. Wobei sich auch hier das Unbewusste, wie in der freien Kunst, seinen Weg an die Oberfläche bahnt. Doch ist die Kulturindustrie der Oberflächenbeschreibung und ihrer Textur in beiden Fällen eben nur eine jeweils andere. Doch die freie künstlerische Oberflächenbezeichnung mit Herkunftsverweisen auf den Comic, wie es in der Weserburg geschieht, ohne den jeweiligen Kulturbetrieb dahinter zu berücksichtigen, ist armselig. Diese Form der Augenwischerei kann man sich sparen. Da hilft auch nicht das interessant anmutende Zusatzverweisprogramm von Kunstbüchern mit Comicverweisen. Die freie Kunst bedient sich seit Beginn der Moderne bei den typischen Merkmalen der Karikatur, der grotesken Überzeichnung, Verzerrung und Überhöhung. Während diese zunehmend an Macht verlor. Der Comic aber, so scheint es einmal mehr, bewahrt sich auch hier seine Widerständigkeit, in die Verwertungskette der  freien Kunst aufgenommen zu werden – trotz Museumsausstellungen. Daran ändert auch diese Ausstellung nichts. Dem Comic sei Dank.

 

Christoph Bannat

 

 

ZACK! BOOM! PENG! Superhelden in der Kunst!

Comic in der Weserburg!

Comic in der Kunst

15. Juni - 6. Oktober 2013