19. Dezember 2003

Amerika, du hast es besser

 

 

Amerika hat es bekanntlich besser. Aber nicht immer leicht: Schließlich hat dieses Land eine Mission zu erfüllen, an deren Ende die Welt eine freiere und gerechtere ist. Das zumindest ist die Botschaft, die nach der Lektüre von Jedediah Purdys 360-Seiten-Abhandlung "Das ist Amerika" beim Leser hängen bleibt. Dabei ist Purdy beileibe kein Anhänger der unilateral ausgerichteten und zum Einsatz militärischer Gewalt mehr als nur bereiten Bush-Administration. Vielmehr ist Purdy fest davon überzeugt, dass die Welt "mit all ihrer potentiellen Gewalttätigkeit und Intoleranz" den "liberalen Geist" braucht. Den Amerika, wenn es sich nur seiner liberalen Tugenden entsinne, der Welt auch vermitteln könne.

 

 

Der - wenn man so will - empirische Teil des Buches besteht in einem ausgedehnten Reisebericht durch die Schwellenländer der globalisierten Welt. Immer wieder bekommt Purdy zu hören, dass eigentlich alle wie in Amerika leben wollen, dem Land der Träume aber dennoch skeptisch oder sogar hasserfüllt gegenüber stehen. Wie schon in seinem Erstling über "Das Elend der Ironie" streut Purdy gerne Zitate liberaler Säulenheiliger ein, die er sämtlich aus einem Proseminars-Lehrbuch bezieht. Nicht, dass die Lektüre von Alexis de Tocqueville oder Adam Smith unangenehm wäre. Aber man fragt sich doch, ob nicht in den letzten 150 Jahren wenigstens der ein oder andere intelligente Beitrag zur Moderne erschienen ist, der mit Gewinn hätte zitiert werden können.

 

 

Bei weitem anstrengender als die anekdotische Weitschweifigkeit und die theoretische Beschränktheit ist allerdings die Attitüde des allwissenden Altersweisen. Ob Buddhismus, Freihandel oder Minderheitenprobleme in China - Purdy kennt sich vielleicht nicht bei jedem Thema blendend aus, tut aber so. Und hat zudem stets feste Ansichten.

 

 

Wirklich schmerzhaft sind die Passagen, in denen Purdy predigt. Und von denen gibt es einige. Ein Beispiel mag genügen: "Es gibt kein Zeitalter der Vernunft, und die Geschichte kennt kein Happy End; doch in jeder Zeit lebt in dem Raum zwischen Erinnerung und Vergessen die Hoffnung der Erde fort." Auch im Schlusswort sind derartige Kalenderlosungen fehl am Platz. Ein überflüssiges Buch.

 

Henry Kamp

 

Jededia Purdys "Das ist Amerika", Europäische Verlagsanstalt 2003, Hamburg.

(Original "Being America. Liberty, Commerce an Violence in an American World")