21. August 2012

Bernd Krauß: „Das ist heute möglich“

Kölnischer Kunstverein

bis 9. September 2012

 

Diese Ausstellung im Kölner Kunstverein ist außergewöhnlich unterhaltsam!

Bernd Krauß’ Kunst ist weder dünkelhaft noch borniert, hier wird keine Klientel bedient, man muss nicht die letzten zehn Jahre Kunstfeuilleton studiert haben, man muss auch nicht besonders sensitiv esoterisch sein, hier ist weit und breit keine Erhabenheitsgeste, aber auch keine verzärtelte Demut zu sehen.

Dies liest sich jetzt so, als sei diese Ausstellung ein Akt gezielter Aufklärung, ein Kalauer zum Stand der Kunstproduktion im Allgemeinen oder gar Kollegenschelte – aber das stimmt nicht. Bernd Krauß’ Ausstellung entfernt einen gedanklich eher aus den bekannten Kontexten.

Es ist schwierig zu beschreiben, was passiert, wenn eine Ausstellung ohne alles Pathos, ohne Häme oder Besserwisserei auf geradem Weg bar jeder Didaktik dem Adjektiv „frei“ bei „freier Kunst“ Raum verschafft.

Das schreibt sich so simpel, ist in letzter Zeit doch aber sehr in den Hintergrund geratenen. Kunst ist angeblich oder tatsächlich politisch, intelligent, kompliziert, kritisch, beziehungsreich, gewitzt oder auch einfach schön – aber frei ist sie nicht. Sie kann es auch gar nicht sein, da sich die Branche nicht damit zufrieden geben kann, dass Kunst frei ist, in dem Fall hätte man nichts zu interpretieren, zu deuteln oder zu erklären, und es wird ja bekanntlich immer alles gerne erklärt, auch dort, wo es nichts zu erklären gibt. Je wichtiger die Position ist, die man bekleidet, umso gefragter die Erklärungen, diese schließen dann weitere eventuelle Bedeutungen aus, das Werk ab, und man kann das Erklärte handlich praktisch ablegen und speichern, sodass es keinen Ärger machen kann. Das macht schließlich auch Spaß.

Was bleibt jetzt, um die Ausstellung von Bernd Krauß zu beschreiben, ohne in die weit offen stehende Falle der abschließenden unfreien Erklärung zu geraten? Schwierig. Schwierig.

Was Bernd Krauß die Angelegenheit sicherlich vereinfacht, ist die relative Ferne vom nimmermüden Kunstzirkus, das bewahrt ihn vor dauernd systembezogenen Kommentaren, Kunstkalauern oder Bitterkeit. Außerdem zweitens ein unbeirrter Basteltrieb, der keine Materialien zu bevorzugen scheint. Das schützt vor den Tücken der Professionalisierung in der Materialbeherrschung – welche einen unweigerlich zu einem bornierten Experten macht (ein sehr interessantes, und allgemein gefördertes Phänomen, angesichts des auch überall sonst gefragten Expertenwissens – nichts ist faszinierender als Fachidioten, sie machen Quote und sind lehrreich). Es gibt drittens Künstler und Bernd Krauß gehört dazu, die eine stabile Immunität gegenüber den Qualen der Beliebigkeit besitzen, was der Ausstellung in Köln eine Offenherzigkeit verschafft, die ihresgleichen sucht. Viertens scheint es keine Probleme mit den Würdeformeln des jeweiligen Hauses zu geben, keine Unterwerfungsgesten, keine provokanten Respektlosigkeiten, kein pubertäres Aufbegehren, keine Liebeserklärungen – die schiere Beknacktheit des Materials entfaltet sich in den Räumen.

Fünftens haben die Werke von Krauß keine wortreichen Witzigkeits- oder Bedeutsamkeitstitel, welche die Sache oft genug in prekäre Schieflage bringt, Textliches erledigt Krauß handschriftlich in seinem zwei DIN-A4-Seiten umfassenden Fanzine „Der Riecher“ (http://riecher.blogspot.de/).

Die Liste ließe sich fortsetzen, allein, die Bündelung dieser fünf genannten Aspekte in einer Einzelausstellung ist sehr selten. Unbedingt anschauen!

 

Nora Sdun