22. November 2011

Die Sandale ist vergiftet

 

Theater auf dem Theater. Eine bürgerliche Familie und die Mitglieder gastierender Schausteller geraten aneinander: hysterische Frauen und um Haltung bemühte Männer, ein unbegabter, missratener Sohn, die bigotte Ehefrau, die ihrem Gatten das Theater verbietet, obwohl er doch als junger Mann selbst ein Stück schrieb, eben „Den Raub der Sabinerinnen“, eine Tragödie, versteht sich. Dies sind und waren immer schon die Zutaten zu einer Posse.

Die schärfste Gegnerin solcher Albernheiten aber ist die Contenance, und diese ist ein, besonders in Hamburg, von Kindesbeinen an zäh geübter Sport, schließlich will man ernst genommen werden. Herbert Fritsch scheint eben diese gespreizte Form der Distinktion bei der Inszenierung der Komödie nur weiter angestachelt zu haben. Er treibt sein Ensemble über zwei Stunden in einem Wirbel von Unsinn über die Bühne. Und es passiert tatsächlich das Unmögliche. In einer Szene, in der alle vorne an der Rampe stehen und als unbeschreiblich lächerlicher Haufen unter der Anleitung ihrer hervorragenden Theaterdirektorin Striese (Karin Neuhäuser) die Ankunft der mit Schrecken erwarteten Römer proben sollen, bricht eben diese anarchische Albernheit zum Publikum durch und zwar, das ist eben typisch für die Albernheit, ohne sinnvolles Stichwort. Von der Bühne kommen in dem Moment keine weiteren Informationen als hilfloses Gezappel und schreckliche Verstrickung in Kostümen und Requisiten. Es ist das Dauerfeuer von Blödsinn, was einen mürbe macht und schließlich einknicken lässt. Man lacht nicht über Pointen. Diese Sorte Gelächter hat überhaupt wenig mit dem Verstand zu tun, wohl aber mit Kontrollverlust. 

Derweil rasen die Schauspieler wieder über die Bühne. Sie hopsen mit Verve auf dem einzigen Möbel, einem riesenhaften roten Sofa, und scheinen samt ihrer wattierten Kostüme aus einer Bildergeschichte von Wilhelm Busch entsprungen zu sein. Besonders das dralle Dienstmädchen Rosa (Gabriela Maria Schmeide) ist ausgesprochen typisch. Ob der Schwank die darunter liegende Tragik offen legt, wie es der Dramaturg Carl Hegemann wünscht, bleibt zu bezweifeln, denn Albernheit entzieht sich wegen ihrer Tendenz zur Sinn- und Grundlosigkeit einer tiefsinnigen Analyse, was man auch von diesem Abend getrost sagen kann.

 

Nora Sdun (20. 11. 2011)