5. Dezember 2003

Take five

 

Frauen sind die eigentlich pragmatisch denkenden Menschen. Wenn sie zum Beispiel eine eigene Plattensammlung haben, lassen sie sie von ihrem Freund einrichten (ohne dass sie ihn dazu auffordern müssten), oder sie bringen erst gar keine Ordnung hinein und finden doch immer, was sie suchen (was vielleicht daran liegt, dass sie Platten hoch und runter hören, und danach nie wieder). Frauen haben also kein Problem mit Platten und Plattensammlungen (Irene in Ralf Rothmanns Erzählung „Gesang der Hunde“: „Platten! Was soll ich mit verstaubten Platten…!“). Aber sie haben ein großes Problem mit Männern, die sich ein bisschen besser als der Durchschnitt damit auskennen. Ein DJ ist eben immer bei seinen Kindern, also seinen Platten.

Das gilt erst recht für einen Plattenladenbesitzer, der früher DJ war und den Laden führt mit zwei durchgeknallten jungen Männern, die alles über Pop-Musik wissen, aber von denen man sonst nichts weiß. Und doch ist der musikalische Snobismus Rob Gordons, der uns die Geschichte der Top 5 seiner ultimativen Schlussmachliste erzählt, nicht der Grund dafür, dass Laura, die Nummer 5 der Liste, ihn plötzlich verlässt. So viel Ordnung muss sein, dass die Zahlen und ihre Bezüge zu den Dingen der wirklichen Welt nicht vertauscht werden. Denn die 5 ist strikt auf den musikalischen Kosmos bezogen, mit den Listen und den ganzen Mythen, und wenn da die 5 auftaucht im Kosmos der Frauen, so kann da was nicht stimmen. Da ist eine Zahl zu viel.

In der Tat sind es denn auch nur vier Gründe, wie uns Rob klammheimlich und etwas schuldbewusst mitteilt, die die Trennung von Laura auslösten, und keiner von ihnen hatte auch nur irgendwas mit der Musik zu tun. Natürlich kommt bei den wahren Gründen der Überdruss, die Eifersucht, das wieder etwas auf die Suche gehende Auge und der mögliche externe Fick ins Spiel. Dramatisch verschärft eine Schwangerschaft genau zum übelsten Zeitpunkt und eine Egalhaltung des zukünftigen Gatten, die einfach nur verletzen kann. Aber wenn die Musik das ja nur scheinbar Trennende war, die Hingabe, die Leidenschaft, die die Frau natürlich gerne ganz für sich gehabt hätte, so ist die Musik auf jeden Fall am Ende das wiedervereinigende Element, und Rob wird alles richtig gemacht haben, wenn er ein Tape eben nicht für die zwar klasse aussehende, aber eben doch nicht reelle Beziehungsfrau aufnimmt (was er natürlich trotzdem macht, letzte dramatische Szene einer fragilen Wiederannäherung), sondern für Laura, die Nummer 5, die mit dieser Tat Robs wieder von der Liste verlorener Frauen gestrichen werden kann, und alles ist wieder im Lot, die Zahlen, die Arithmetik, die Beziehung, und die Liebe zur Musik hört sowieso niemals auf.

Was aber immer ein Problem bleiben wird, ist weniger die Herstellung einer Beziehung als die einer ein für allemal geltenden Plattenordnung. Nichts kann da wirklich befriedigen, die Chronologie reißt intimste Zusammengehörigkeiten auseinander, die kalte alphabetische Ordnung lässt die Liebe zur Musik vermissen und sowieso an die Eltern denken, die ein ähnliches Problem mit ihren Büchern haben, und die an einer Stelle ins Spiel gebrachte autobiografische Ordnung ist so aberwitzig, dass sie nur in Momenten eines ganz durcheinandergebrachten Gefühlshaushalts überhaupt in Erwägung gezogen werden kann und sich täglich selbst auf den Kopf stellen müsste. Aber Komödien müssen nicht alle Probleme lösen, es reicht, wenn die wichtigeren geregelt sind.

 

Dieter Wenk

 

<typohead type=2>Stephen Frears, High Fidelity, USA 2000</typohead>