5. November 2011

Hausmeistersammlungen

 

Die Sammlung des Hausmeisters Wilhelm Werner

18. September 2011 bis 15. Januar 2012 (Hamburger Gang, Hamburger Kunsthalle)

 

Sammlungen wie die von Wilhelm Werner sind Sehnsuchtsorte aller Künstler. Von solchen Menschen will man als Künstler gesammelt werden. Denn solche Sammlungen werden nicht aus Kalkül und als Geldanlage konzipiert, sondern entstehen in engem, freundschaftlichem Kontakt zu den Künstlern. Sammler wie Wilhelm Werner, der von 1914 bis 1952 in der Hamburger Kunsthalle arbeitete, bekommen Geschenke, im Gegensatz zu milliardenschweren Groß-Sammlern. Man tauschte seine Arbeitskraft, Werner baute zum Beispiel Rahmen für die Künstler. Man schenkte ihm aber auch einfach Kunst, um ihm eine große Freude zu bereiten, und eben nicht um die eigene Marktlage attraktiver aufzustellen.

Walter Grasskamp beschreibt in seinem Aufsatz „Der Sammler als Souverän“ bündig, wie groß der Einfluss der verschiedenen Sammlungstätigkeiten auf die Entwicklung der Kunst ist. So ist der heutige Triumph der großen Privatmuseen über die ermattete öffentliche Hand, die sie mit einer kontinuierlichen Überdüngung des Marktes selbst schwächten, ein absonderlicher. Grasskamp: „Sammlermuseen stellen genau das Problem aus, was sie selber geschaffen haben: den vollständig, geradezu grotesk überzogenen Marktwert der Gegenwartskunst, der gegenwärtig der vielleicht größte Showeffekt der Kunst ist ... jetzt droht die Einheitskost von zwei, drei Duzend Künstlernamen, aus deren Kombination sich alle großen zeitgenössischen Privatsammlungen in Kern zusammensetzen.“ Die Sammlung des Hausmeisters Wilhelm Werner ist anders, vor allem weil er selbst es war, der sammelte, und nicht etwa ferngesteuerte Krisengewinnler oder hochdotierte Kuratorenteams, die den Großsammlern beratend zur Seite stehen.

Zeitgenössische Kunst Sammeln, wenn man es so betreibt wie Werner, ist eine leidenschaftliche Option geistiger Innendekoration, ein Ausdruck der eigenen Zeitgenossenschaft, eine für Außenstehende womöglich befremdliche Manie mit unvorstellbar hohem Befriedigungspotenzial. Natürlich hat das immer auch mit Eitelkeit zu tun. Ein solcher Enthusiasmus ist gar nicht so selten, hat eben nur nicht so großartige Presse. Warum auch? Es gibt sogar weitere Hausmeister. Da wäre zum Beispiel der kürzlich verstorbene Hartmut Rausch, er arbeitete an der Kunsthochschule in Frankfurt, er hat eine im Umfang vergleichbare Sammlung angelegt. Man könnte auch Carl Vogel, seines Zeichens ehemaliger Direktor der HfbK in Hamburg, zu dieser Sammlergruppe zählen. Amüsantes zu Vogels spezieller Geschichte findet sich in seinem Buch „Lebenslang: Geständnisse eines Extremsammlers“. Drei Beispiele, die ein getreues Bild des künstlerisch-sozialen Umfelds liefern, in dem sich die Sammler befanden.

Bei Vogel, Rausch wie bei Wilhelm Werner ist die soziale Kompetenz entscheidend. Diese erzeugt den engen Kontakt zu den Künstlern. Es geht dabei um alles, den Alltag, die Kinder, nicht nur um ein bestimmtes Kunstwerk. Es geht im Falle Werners, und das ist herausragend, aber auch um Zivilcourage, so rettete er die Bilder der jüdischen Künstlerin Anita Rée, welche sich im Besitz der Kunsthalle befanden und befinden, vor der Beschlagnahmung durch die Nazis, und beförderte die Bilder nach dem Krieg, ohne davon irgendwelches Aufheben zu machen, zurück ins Depot der Kunsthalle. Er hatte im poetisch übertragenen wie tatsächlichen Sinne eben die Schlüssel zum ganzen Haus: Er hatte die Schlüssel zur Kunsthalle und er hatte die Schlüssel zum geistigen Haus von Künstlern wie Heinrich Stegemann und Willem Grimm, Hans Martin Ruwoldt und Eduard Hopf, Dorothea Maetzel-Johannsen und Anita Rée.

 

Nora Sdun

 

 

Wilhelm Werner, früherer Hausmeister der Hamburger Kunsthalle, mit Frau und Kind (Bild: Hamburger Kunsthalle)