21. August 2011

Hemingway als Hund

 

Der norwegische Comicautor bedient sich ausgiebig bei einem Pulp-Roman, um seine absurde und konstruierte Geschichte über anthropomorphisierte Schriftsteller der Lost Generation zu inszenieren

 

Plagiate sind derzeit in aller Munde. Auch im Comicbereich wird der geistige Raub am Kunstwerk seit Jens Harders dreistem Plagiat „Alpha“ (Carlsen) heiß diskutiert. Wo hört die Hommage auf und wo fängt der Diebstahl an. Was trennt die bloße Kopie von der künstlerischen Inspiration? Die Grenzen scheinen fließend zu sein, was auch in Jasons „Hemingway“ (Reprodukt) wieder mehr als deutlich wird.

 

Die Comiczeichner der Lost Generation führen im Paris der 1920er Jahre ein waschechtes Leben als Bohemiens: Ernest Hemingway, F. Scott Fitzgerald, Ezra Pound und James Joyce haben sich dem harten Broterwerb des Comiczeichnens verschrieben. Das wenige Geld vertrinken sie beim Philosophieren in Spelunken oder verspielen es beim Kartenspiel. Täglich kämpfen sie mit dem weißen Blatt, das mit Panels und Geschichten gefüllt werden will. Es kommt der Punkt, an dem die Künstler genug von Notwirtschaft haben und einen todsicheren Coup planen.

 

Was als selbstreflexive und absurd-skurrile Story über das Künstlerdasein beginnt, geht in eine komplex konstruierte und multidimensional erzählte Heist-Story über. Dafür hätte Jason sicherlich den einen oder anderen Preis verdient, wenn die Idee mit dem Coup auch seine Idee gewesen wäre. Das ist sie zweifelsfrei aber nicht.

 

Denn sie stammt von Lionel White, dem Autor des Pulp-Romans „Clean Break“, der von Stanley Kubrick unter dem Titel „Die Rechnung ging nicht auf“ verfilmt wurde. Jason hat zwar die Handlung vereinfacht und leicht umgeändert, aber die Grundidee und die multidimensionale Erzählperspektive stammt eindeutig aus der Romanvorlage.

 

Da Jason die Idee aber in seine eigene Story einbettet und verändert, kann man nicht von einer bloßen Kopie sprechen. Die Schriftsteller und Dichter der Lost Generation werden bei Jason zu Comiczeichnern und sprechenden Tieren: vor allem Hunde. Der absurde Humor verfremdet die Vorbilder und stellt sie in einen neuen Kontext. Der Verweis auf „Clean Break“ erscheint deshalb tatsächlich als Hommage und nicht als Plagiat, denn Jason macht etwas Neues aus dem Stoff.

 

Jason führt einen reduzierten Strich, der sich stark an Lewis Trondheim, der eingangs auch dankend erwähnt wird, zu orientieren scheint. Die Hintergründe sind auf das Notwendigste beschränkt, wodurch die agierenden Tiermenschen im Vordergrund stehen. Die Figuren stehen oft steif da, was ausgezeichnet zur stets präsenten Lakonie passt.

 

Auch die flächigen Farben von Hubert, die dezent und matt gehalten sind, fügen sich perfekt in das Artwork ein. Mit „Hemingway“ eröffnet Reprodukt eine Reihe von abgeschlossenen Titeln des norwegischen Zeichners, dessen Werke dreimal in Folge mit dem Eisner-Award prämiert wurden.

 

Marco Behringer (07/11)

 

Jason: Hemingway. Reprodukt, 48 Seiten, farbig. Preis: 13 Euro. ISBN 978-3-941099-74-6