Sterneköche für die Cévennen-Zwiebel

 

Von: Gislind Nabakowski

 

Wenn der eisige Consommé aus pürierten Zwiebeln im Restaurant La Table de Montesquieu in Südwestfrankreich als Dessert obenauf mit fein gehobelten Trüffeln serviert wird, flirtet die »kleine Zwiebel« mit den um ein Vielfaches teureren Trüffeln des Périgord. Das 2010 erschienene Buch unterscheidet sich erheblich von den drei Vorgängern: Alle Rezepte stammen von französischen Köchen, die 2010 den Stern des Guide-Michelin für ihre Kochkunst mit der cevenolischen Zwiebel erhielten. 15 Chefköche mit dem Stern an der Mütze, viele aus südfranzösischen Departments, aus dem  Midi,  plaudern ihre Rezepte mit der im Geschmack milden Süßzwiebel aus. Die pfiffige Broschüre ist eine Idee der solidarischen Produzenten »Origine Cévennes«, aus einer kleinen Gemeinde mit 570 Seelen am südlichen Rand der 1985 von der UNESCO zur »réserve de biosphère mondiale« erklärten, großartigen, südfranzösischen Landschaft der gebirgigen Cévennen.

 

Im Format folgt  das schmale Kochbuch den grünen Michelin-Reiseführern. Bloß ist es wesentlich schöner aufgemacht. 
Die Süßzwiebel, die zeitgleich mit rauhschaligen Cévennenäpfeln, den »Reinettes«, geerntet wird, kommt im September in die Hände der gewieften Chefköche. Bis April des Folgejahres  ist sie verwendbar. Kultiviert wird sie auf den  einzigartigen Terrassen  der Cévennen (den faïsses) auf einer Höhe von 300-600 Metern. Der Boden aus Granit und Schiefer begünstigt ihr Wachstum und ihren Geschmack.

Auf vielen, oft kleinen Parzellen, wurden im gesamten Gebiet der Cévennen allein 2010 insgesamt 1.800 Tonnen d'oignons doux  geerntet: Ein Umsatz von € 3,5 Millionen. Die Cévennen wurden 1970  von der Zentralregierung zum Nationalpark, dem »Parc National des Cévennes« erklärt. Er ist einer der neun  französischen Nationalparks. Die geschützte Parkfläche beträgt  3213 km². Die Anbaugebiete für Zwiebeln liegen  innerhalb und außerhalb der Grenzen des Naturparks, der Gebiete der Départements Gard, Lozère, der Ardèche und des Aveyron umfasst. Was hier wächst ist ökologisch angebaut.

Weil die perlmuttern schimmernden Knollen fest und kräftig sind, kommen sie in der Vorratshaltung sehr gut über den Winter. Schon seit 2003 sind sie in der Kategorie AOC (Appellation d'Origine Controlée), seit 2008 sogar in der  allein von Hand kultivierten AOP (Appellation d'Origine Protogée) zu haben. In Südfrankreich werden sie auf Märkten in kleinen Mengen, aber auch gerne in größeren, netzartigen Säcken  (3,5-5,5 Kg) verkauft.

 

 

Ihr fruchtiger, zarter Geschmack harmonisiert zum Beispiel mit Honig,  Vanille und Thymian. Inzwischen nutzen Frankreichs Sterneköche diese Zwiebeln erfolgreich für köstliche Amuse-Gueules, für Hauptgerichte und für raffinierte Desserts. Serviert werden die Zwiebeln in Südfrankreich also vielseitig: zu Konfitüre (confit) gedünstet, als  eingedampfter Gelée, oder als Chutney. Raffinierter dann: Sanft pochiert, mariniert oder zu kleinen Kringeln karamellisiert. Noch eins drauf gesetzt wird für den menschlichen Gaumen, wenn sie zu feinstem Velouté geschäumt sind.

Die ländlich-cevenolische Küche schätzt zwar diese im nördlichen Europa im Geschmack fast unbekannte Zwiebel eher als Rohgemüse (cru), gekocht (cuit) oder als Wintergemüse. Die Zwiebeln werden dann einzeln gefüllt als Farcis d’hiver in den Backofen geschoben. 

 

 Die Pointe des Kochbuchs mit seinen mehr als 15 Rezepten: Dieser Rohstoff der Sterneküche kostet nicht den Preis von Trüffeln. Zum Gelieren benötigt man außerdem keine Zusatzstoffe. Feigen und Zwiebeln haben die Eigenschaft, beim Kochen zu gelieren.

 

Einige *Hits* der Sterneköche sind: Die »Tarte de Feuilleté aus Mousseline de Pommes de Terre Charlotte mit Confit d'Oignon«, ist verfeinert mit Thymian und feinem Speck bei Küchenchef Mickael Gracieux in Nizza zu genießen. Ein weiterer Gaumenschmaus ist eine lauwarme Torte mit auf Süßzwiebeln gebetteten Feigen, neben etwas Fois Gras (kann man auch weglassen). Dazu reicht Küchenchef Phillipe Jego in Cap d'Antibes eine leichte Karamellsauce mit Vanille. 
Die mit aussagestarken Landschaftsfotos, mit Fotos von lockenden Speisen und klaren Rezepten aufgemachte Broschüre »Les Carnets Recettes« zeigt die Gerichte von Sterneköchen mal endlich mit einem anderen Blick. Professionelle Fotos von sattgrünen Cévennen-Terrassen, dem gepflegten Lebensraum, wechseln sich den gut strukturierten Rezepten ab.

 

Das originelle und gratis zu habende Kochbuch ist schon die 3. Initiative einer kleinen, an der Gebirgsstraße bei 30570 LE VILLARET gelegenen Vertriebsstätte von Produzenten der »Origine Cévennes - La coopérative des petits producteurs«, die sich 1991 zusammenschlossen. Die 2007 gestartete Initiative  fand 2010 erstmals unter Beteiligung der 15 Köche unter der Michelmütze statt, die ebenso von der Ile-de-France, vom Atlantik und der Franche-Comté kommen. 
Die Restaurants am Mittelmeer, die für ihre Einfälle mit den Cévennen-Zwiebeln den »Étoile Sud« erhielten, liegen ausser in Südfrankreich auch in Korsika: In Nizza ist es das Restaurant L'Aromate*, in Cap d'Antibes der Pavillon*, in Castros, in den Midi-Pyréneés das Bistrot Saveur*, in Clermont-Ferrand, in der Auvergne der Apicius*. In Ajaccio, der Hauptstadt der Insel Korsika, das Palm Beach* und im korsischen Calvi-Lumio lässt man sich bei Chef Charles* nieder. Beim Sternekoch Olivier da Silva in den Jardins d'Epicur* wird die Süßzwiebel aus den Cévennen, die schon seit zwei Jahrhunderten kultiviert wird, völlig anders, mit gebratenen bretonischen Sardinen, mit frischem Zwiebelmus und Vinaigrettesauce serviert.

 

 

 

Die Terrassen, auf denen diese Zwiebeln in den Cévennen kultiviert werden, von denen viele schon durch mittelalterliche Mönche - auch danach - angelegt wurden, waren im Zuge des ruralen Exodus lange Zeit verfallen und zerstört. Jetzt werden alle Terrassen wieder von Mauern gehalten, die ohne Mörtel geschichtet sind. Sie und die Parzellen, die in variantenreichen Rhythmen an die oft atemberaubend schön ansteigende Gebirgslandschaft angepasst sind, wurden mühsam restauriert. Schon vor Jahrzehnten hat man die fragilen Terrassen zum nationalen Kulturerbe (patrimoine national) erklärt.

 

Es gab seit den 1980er Jahren sehr, sehr viele Programme zu ihrer Rettung: Eine Herkules-Arbeit! Sie beginnt sich zu lohnen. Die Pariser Regierung und der regionale »Conseil Général du Gard« fördern den Anbau der Zwiebeln auf den stets  immer wieder reparaturbedürftigen Terrassen: Der große Aufwand von Neuinitiativen läuft steuerfrei. Die kleine Cooperátive (eine Solidargemeinschaft mit anderen Cévennen-Orten, zum Beispiel aus der Gegend um Le Vigan, von wo die Zwiebel Saint-André kommt und aus dem Kerngebiet der Cévennen), die ebenso Esskastanien, Obst, Gemüse, Honig, Kräuter, sowie in Gläsern konservierte Pasteten, Käse und Fleisch der großen Ziegen- und Schafherden aus den Hochebenen der Cévennen anbietet, die unter Natur belassenen Umwelteinflüssen entstandene Nahrungsmittel vertreibt, vergrößert ihren Depotraum um 600m2. Sie  hatte die promotionelle Idee zum Kochbuch.

Die Zwiebeln werden in festen, gelben Kartons weltweit verschickt. Der begehrte Rohstoff der Premiumküche ist an diesem Exempel keinesfalls teuer. Ein Kilo d'Oignon doux kostet auf Märkten in Südfrankreich ungefähr € 2,80-4,00. Die beliebteste Zwiebelsorte la  raïolette
 kommt aus dem Anbaugebiet  des Mont Aigoual,  der bis zu 1.567 Meter ansteigt, wo sich eine historische Wetterstation, das Observatorium »Météo France« befindet. Es ist die letzte in Frankreich, die bisher noch von einem Metereologen bewohnt wird.

 

 

Eine 3-5-Kilokiste ist mit dem Kochbuch, das man als pdf downloaden kann, ein originelles Geschenk: Die pdf-Sterne-Broschüre von 2010 mit Rezepten ist außer bildschön auch im Internet mit den Vorgänger-Broschüren seit 2007 frei zugänglich. Der Vertriebsort der Gourmetknolle liegt leicht außerhalb des immensen Naturschutzgebietes des Nationalparks, in dem  in Schluchten und im Gebiet von Canyons seit einigen Jahrzehnten wieder erfolgreich Geier aufgezogen werden.

 Im französischen Rezeptbuch »Les Carnets recettes de l’oignon doux de Cévennes« und im Film  »Les quatre Saisons de l'oigon doux« über die intensive Kultivierung der delikaten Süßzwiebeln auf den Terrassen wird auch der nachhaltige Anbau erklärt. Hier findet man alle Rezeptbücher der Jahre 2007 bis 2010  gratis und den erwähnten Film:

oignons doux des cevennes - Une Coopérative

 

[PDF]  l'oignon doux des Cévennes

 

Die Bezugs- und Versandadresse der Cévennen-Zwiebel:

SCA ORIGINE CÉVENNES


(Seit 1991)

Route de Valleraugue

30570 SAINT-ANDRÈ-DE-MANJENCOULES (GARD)


Tél.: 0033 67 82 50 64

Auf der Site (s.o.) ist auch die Kontakt-E-Mail für Bestellungen.

Der Hangar ist geöffnet:
 15. August – 15. Dezember, an Wochenenden: 10h - 19h. Vom 16. Dezember – 14 August, an Wochenenden:  14 h – 19 h.  Reisenden wird in jedem Fall empfohlen, vorher anzurufen.

 

© Das Copyright für die Fotos liegt bei SCA Origine Cévennes

© Für den Text liegt dasCopyright  bei der Autorin Dr. Gislind Nabakowski. Zitate, auch auszugsweise, bedürfen der Genehmigung.