“portraits & faces”
Das hat Berlin noch gefehlt. So eine feine, kleine Ausstellung. Eine, die sich einmal mehr auf dem schwierigen, wenn auch nicht ungewöhnlichen Terrain zwischen Comic und Kunst bewegt. Dort bewegt sie sich auf äußerst intelligente Weise, dass es mich schwankend machte. Gewöhnlich suchen Ausstellungen auf diesem Terrain eine versöhnliche Nähe zwischen Kunst und Comic herzustellen, den Comic zur Kunst zu erheben oder den Einfluss des (einst?) illegitimen Genres auf die Kunst zu beweisen. Das macht diese Ausstellung nicht. Und plötzlich, beim Schreiben (und dafür lohnt es sich zu schreiben) die Idee, dass Kunst ein Versprechen und Comic eine Verpflichtung ist, dass man so die Trennlinien beider Felder am besten kennzeichnen könnte.
Matthias Held wurde Mitte der 60er in Hamburg geboren, in München und New York sozialisiert. Seine Eltern sammelten sporadisch Kunst. Comics waren bei ihm zu Hause verpönt. Er studiere Kunst und erkannte mit Ende 20, dass er nicht zum Künstler geschaffen ist. In New York gründete er eine Medienagentur. Seine Comic-Geschichte begann als Jugendlicher, fast zeitgleich mit Gaston und Robert Crumb. Vor einem Jahr kam er nach Berlin. Die Ausstellungen präsentiert er in den Räumen seiner exquisit renovierten 3-Zimmer-Gründerzeit-Wohnung. „portraits & faces“ ist die zweite Ausstellung. Die erste hatte die Apokalypse zum Thema, und zeigte u. a., beschützt von zwei bullige Bodyguards, verteilt auf beide Ausgänge, eine Paul-Gauguin-Zeichnung im Laptoptaschenformat. In Kreuzberg, am Erkelenzdamm, eine absolut ungewöhnliche Geste. Wie diese zeigt auch „portraits & faces“ wieder eine Mischung aus original Comicseiten und Kunst, mit dem Schwerpunkt Zeichnung, meist Arbeiten auf Papier. Diesmal braucht die Zeichnung der Ecole de Francois Clouet, der zweiten Schule von Fontainebleau, aus dem Jahr 1550 keinen Geleitschutz. Unaufdringlich, zurückgenommen, zwischen zwei Erkerfenstern, schaut Claude D´Urfé, aus über 450 Jahren Distanz, als älteste Porträt-Reminiszenz auf das Geschehen im Raum.
Es sind aber nicht nur diese anekdotischen Verweisstrukturen aus der Welt des Wissens, hier das Renaissance-Porträt (seit Giotto) als die Geschichte der Entstehung des Individuums und seiner Darstellung, die diese Ausstellung zu einem besonderen Quell machen, sondern auch die praktische Arbeit der Hängung. Eine Hängung durch die mehrere sich überlagernde Ordnungsprinzipien erfahrbar werden. Man hat hier das Gefühl, dass der Ausstellungsmacher sich mit dieser Ausstellung noch selbst überrascht. Und das macht, neben der brillanten Auswahl von Einzelblättern, die artistische Leistung seiner Persönlichkeit aus. Matthias Held versteht sich als Kurator, Fan, Händler und Sammler. So ist ein formaler Teilgesichtspunkt, alle Blickrichtungen nach rechts an einer Wand zusammenzuhängen nur ein Ordnungsaspekt. Beginnend mit Robert Crumb über Andre Baschlakow, Moebius, Jim Shaw bis zu Larry Hamas geteilter Bildszenerie. Dann folgten die Blicke nach links, beginnend mit Andreas Hofer, Lothar Hempel, Monika Baer ins hängetechnisch verwirbelte Politgeschehen; von Raymond Pettibon und Peter Saul. Daneben gibt es locker gehangene Bildergrüppchen zum „Thema“ anonymisierter, maskenhafter Typisierungen von Charles Burnes, Raymond Pettibon, Marcus Weber bis Tom of Finland. Und es gibt Bildergruppen, die von Matthias Held als Chaos-Wand bezeichnete werden, ich würde sie eher Suchbildwand nennen. Hier begegnet einem der isometrische Aufriss des Zeichenbüros vom Marvel-Hauptquartier, mit allen Zeichnern von 1983. Es ist das Marvel-Office Year Special, wie es wohl jedes Jahr gezeichnet wird. In diesem Zusammenhang können die da drüber hängenden „Telefonzeichnungen“ – von Peter Stauss, filmisch betrachtet, als Close-up aus dem Marvel-Büro zu lesen sein usw.
Die Hängung ist hier ein reichhaltiger Fundus an assoziativen Denkvorgängen. Die Bilder laden sich gegenseitig auf. Darüber hinaus begeistert die Wahl der Einzelblätter, wie David Hockneys Radierung „Two Men“ von 1968. Die wiederum zu kunstvollen Beobachtungen zwingt, grade im Vergleich. So mit der Moebius-Zeichnung, bei dem der Strich, im Gegensatz zu Hockney, als Signatur das sexistisch geprägte Bildthema zu überschreiben scheint, und somit erst seine ganze Wirkung entfaltet. Wodurch Crumbs, auf den Betrachter herabblickende Yetti-Frau von 1977 ihre Warmherzigkeit verdoppelt.
Ich wehre mich gegen die herablassende Art, Comics, in dem man sie mit freier Kunst gleichsetzt, adeln zu wollen. Seine Besonderheit besteht gerade in der Differenz. Eben auch jener, dass es den Comic als Original nicht gibt, sondern nur als Druck. Denn hier werden Schrift, Halbtöne, Seitenlayout und Stauchung der Zeichnungen (als Verkleinerung der Originalzeichnung) zusammengefahren. Dadurch wird die Zeit, die in die Originalzeichnung fließt, verschleiert, und durch das Stauchen verschwimmt der handwerklich-menschliche Aspekt, dass man sich jede Zeichnung in Armeslänge entstanden denken kann. Auch das ein Wesenszug des Comic, dachte ich immer. Diese Ausstellung belehrt mich vielleicht eines Besseren – noch schwanke ich.
Christoph Bannat
“portraits & faces”
heldart
matthias held
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Tipp zum Thema: Gesichter der Renaissance- Meisterwerke der Italienischem Porträt-Kunst, in meinem Lieblingsmuseum, Bode-Museum. 25.8. 20.11.