Gott ist Schönheit
"Gott ist Schönheit", Smeds Esemble, Kammerspiele München, 02.07.11
Der finnische Maler Vilho Lampi: Liebe, Hass, Trotz, Schönheit, Freiheit, Göttliches, Kunst
Das Smeds Esemble inszeniert mit "Gott ist Schönheit" nach dem Roman Paavo Rintalas aus dem Jahr 1959 eine Hommage an den finnischen Maler Vilho Lampi, der von 1898 bis 1936 meist in Liminka lebte. Gegen die Kälte des finnischen Winters, die Ignoranz, die Nazis und das neue Europa trotze er, so die Programminfo. Er malte expressiv-realistisch Selbstporträts, Porträts von einfachen Leuten, Landschaften, Stillleben.
Der Zuschauer findet sich bei der Inszenierung "Gott ist Schönheit" konfrontiert mit einem spartanisch ausgestatteten Bühnenbild von Riikka von Martens und Kristian Smeds. An die Rückwand eine großformatige Leinwandmalerei gelehnt. Ein Porträt. Ein Bild, das aber eigentlich einfach nur Skizze ist. Und auch zum wechselnd beleuchteten Farbfeld werden kann. Ein Bild, das an eine der späten Leinwandarbeiten von Francis Bacon erinnert, die von diesem nicht fertig gemalt wurde und Skizze geblieben ist. Die völlig anderen Bilder des Malers Lampi zeigen sich im Stück nicht. Aufgeführt werden vom Smeds Esemble 10 Bühnenszenen, aus denen sich die Malerei Lampis nicht gleich erschließen lässt. Es bieten sich Teile des Lebens des Künstlers, die seine Persönlichkeit darzustellen versuchen. Facetten seines Charakters. Seiner Vorstellungswelt. Seines Tuns. Seines Unterwegsseins. Eine surreal merkwürdig anmutende Geschichte. Mehr Roman als Biografie. Mehrere Handlungsorte, Lebenswelten. Sprunghafte Fantasieebenen, Realitäten, Intentionen, Perspektiven.
Der Maler ist in diverse Personen aufgesplittet. Und Darstellung von erstrebter Schönheit präsentiert sich hauptsächlich auch als Grobheit und Kargheit. Die Handlungsbilder beispielsweise: Bewegung mit kräftigen Seilen, Brennen funkelnder Lichter im Dunkeln, Schläge mit einer Axt auf einen Eisblock oder Hiebe auf eine Holzsstele. Expressionistische, exzessive Ausbrüche. Manchmal tänzerisch. Manchmal wie primitive Vorgänge. Manchmal schwerlastig. Manchmal spielerisch. Diverse innere Kräfte und Vorgänge, die für das Schaffen von Kunst mehr oder weniger unumgänglich sind. Und für die Freiheit der Kunst und des Künstlers, um die es geht.
Lampi fühlte sich wohl außerhalb des Lebens und der Gesellschaft. Wollte auch Gewalt anprangern und dass jeder Traum unmöglich werden kann. Der Humor des Ensembles wirkt dabei manchmal wie seltsam in das Bühnengeschehen untergemischt, scheint nur schwer mit manch grobem Inhaltlichen konform zu gehen.
Die Bilder, die Lampi malte, sind sachlich oder expressionistisch, durchaus auch hart, aber ohne Brutalität, sind mehr als eine Spur sanfter und einfühlsamer, als die Handlung des Stücks vermuten lässt. Wenngleich seine Gemälde farbkräftig Kompromisslosigkeit wiedergeben. Lampis Malerei ist immer auch Menschlichkeit und Wärme widerspiegelnd. Die den Bühnenszenen immer wieder fehlt. Die aber die Musik des Stücks wiederum hat. Stark rhythmusbetonter finnischer Folkrock, von Tomi Rikkola, Tuomo Kuure, Juha Menna live auf der Bühne gespielt, und der Bilderwelt des Malers vielleicht fast adäquater als das Theaterspiel.
War Lampi gewalttätig, fragt man sich. Wohl kaum. Er war Künstler. Kein Künstler hat Gewalt nötig. Lampi dürfte seine inneren Kräfte fokussiert haben und ließ sie natürlich in sein künstlerisches Schaffen fließen. Ich frage mich aber, ob Lampi dabei überhaupt Humor hatte. Oder ob der Humor nur zum Smeds Ensemble gehört.
Der erste Eindruck, den das Smeds Esemble mit dieser Produktion hinterlässt, ist irritierend. Kennt man das Werk des Malers noch nicht und sieht die Aufführung, kann man sich nicht direkt seine Gemälde vorstellen. Auch nicht durch die Malereiskizze im Bühnenhintergrund. Und mich hat ein Handlungsinfoblatt und die ganze Vorführung nicht auf Paavo Rintalas Buch und die Handlung wirklich neugierig gemacht. Ich blieb auf extremer Distanz. War nur bei Teilszenen dazu motiviert, mich darauf einzulassen. Dafür aber, mich weiter ausführlicher mit der Malerei Lampis zu befassen.
Sowohl der Maler Vilho Lampi als auch die Musiker Tomi Rikkola, Tuomo Kuure, Juha Menna, teils der von 1998 bis 2011 existierenden Band Pohjannaula entstammend, sind als bereichernd durch die Inszenierung inspiriert zu entdecken.
Wenn man den kaum bekannten Vilho Lampi einordnen wollte, dürfte man ihn durchaus in der Verwandtschaft der Novembergruppe sehen. Einer Malergruppe aus dem Redaktionsumfeld von Herwarth Waldens Zeitschrift „Sturm“, die von 1918 bis 1935 mit Schwerpunkt in Berlin agierte. Zu der Max Pechstein als Gründer gehörte. Maler, die an sozialen Veränderungen interessiert waren, als bolschewistisch beschimpft von den Nationalsozialisten verboten wurden. Und an einer Vereinigung von Kunst und Volk arbeiteten, die schwer möglich war. Vilho Lampi jedenfalls gab seinen Lebensentwurf auf, indem er Selbstmord beging.
Über den 41-jährigen namhaften finnischen Regisseur des Stücks Kristian Smeds mit Arbeitsbasis Helsinki, einst längere Zeit in einer finnischen Kleinstadt lebend und Leiter des seit 2007 bestehenden Smeds Esembles, ein internationales Künstlernetzwerk, heißt es, seine Lieblingsthemen seien: Liebe, Tod und Gott, garantiert mit Humor „stark und schwarz – wie guter Kaffee“.
Die finnische Mentalität des Smeds Esemble braucht möglicherweise mehr als eine Annäherung.
Tina Karolina
"It's nothing personal, it's just art" (Smeds Ensemble)
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