18. Mai 2011

Die Geister, die Hank Williams rief

 

»I was just a lad, nearly twenty-two, Neither good nor bad, just like you, And now I’m lost, too late to pray, Lord, I’ve paid the cost on the lost highway.« Diese Zeilen stammen aus Hank Williams Song Lost Highway und beschreiben nicht nur das Lebensgefühl des Country-Musikers, sondern können ebenso als prophetische Vorwegnahme seines eigenen Todes interpretiert werden.

 

Starb Williams Ende Dezember 1952 oder erst 1953? So ganz ist das nie aufgeklärt worden. Denn in dieser Nacht befand er sich auf der Rückbank eines Cadillacs, auf dem Weg nach Clanton, Ohio, für ein Konzert. Die zweitägige Reise war allein schon aufgrund des tobenden Schneesturms ein Wagnis. Dann wurde das Auto auch noch von einem völlig übermüdeten Fahrer gesteuert, der seit zwei Tagen kein Auge mehr zugemacht hatte. Nicht die besten Vorzeichen.

 

Der dänische Comickünstler Søren Glosimodt Mosdal hat diese letzten Stunden aus Hank Williams Leben als Vorlage für eine Graphic Novel genommen. Der Däne begeht jedoch nicht den Fehler, eine trockene Aneinanderreihung bekannter Fakten in Comicform zu pressen, sondern vermischt die historischen Begebenheiten mit surrealen Elementen: Immer wieder tauchen die Geister auf, die Hank Williams in seinem kurzen, aber auch turbulenten und extremen Leben rief.

 

Der Fahrer traut seinen Augen nicht, als beispielsweise der ehemalige Bassist Williams, Lum York, mit einem Totschläger und roten Punkten im Gesicht auftaucht. Rückblenden auf Williams gescheiterte Ehe mit Audrey geben kurze Einblicke in das tragische und exzentrische Leben Williams, der stets zwischen Genie und Wahnsinn pendelte.

 

Mosdal kreiert einen stimmungsstarken Neo-Noir-Comic: Zackige, dünne Linien treffen in dessen Artwork auf flächige, matte Farben. Dabei erweist sich der Autor auch als hervorragender Erzähler, der mit den Montagetechniken vertraut ist wie ein Filmregisseur.

 

»I saw the light, I saw the light, No more darkness, No more night, Now I’m so happy, No sorrow in sight« Mit diesen versöhnlichen Zeilen endet die turbulente Graphic Novel, die Mosdal in einzelnen Kapiteln erzählt. Ursprünglich lag dem Comickünstler ein nie verfilmtes Skript von Paul Schrader zugrunde, das ihn zu dieser Arbeit inspiriert hat.

 

Hank Williams – Lost Highway richtet sich keineswegs nur an Kenner und Fans des Country-Musikers, der seinerzeit vom Blues beeinflusst worden war und selbst sämtliche nachfolgende Country- und auch andere Musiker-Generationen inspiriert hat. Man muss nicht einmal wissen, wer Williams war, um die Graphic Novel lesen zu können. Im Gegenteil: Durch das ausführliche Nachwort von Franz Dobler erhält man nach der Lektüre der Erzählung noch interessante Zusatzinformationen, um Mosdals Arbeit auch entsprechend einordnen zu können.

 

Die Musiker-Graphic -Novel-Adaptionen gehen weiter: Nach Johnny Cash (Cash – I see a Darkness; Carlsen), Bob Dylan (Bob Dylan – Revisited; Carlsen), den Beatles (Baby’s in black, Reprodukt), Elvis Presley (The King; Edition 52) nun auch Hank Williams. Man darf gespannt sein, wer als Nächstes folgen wird.

 

Marco Behringer (04/11)

 

Søren Glosimodt Mosdal: Hank Williams – Lost Highway. Edition Moderne, Hardcover, 72 Seiten, 19,80 Euro. ISBN 978-3-03731-076-2

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

amazon