19. Februar 2011

Ein kleiner Nachruf für den großen Bernd Eichinger

 

Der große Filmproduzent Bernd Eichinger ist tot und zu seinem Vermächtnis als Produzent gehört unter anderem der Film NIRGENDWO IN AFRIKA (2001) von Caroline Link, der ihr nach der Nominierung für ihren Debütfilm (JENSEITS DER STILLE, 1996) den Oscar für den besten Ausländischen Film eingebracht hat.

Caroline Link erhielt für ihr Werk als Regisseurin bei den Hofer Filmtagen 2010 den Ehrenpreis der Stadt. Aber auch der Kinoproduzent Eichinger hat Regie geführt, produzierte aber sein Regiedebüt DAS MÄDCHEN ROSEMARIE (1996) nicht fürs Kino, sondern fürs Fernsehen. DER GROSSE BAGARATZI (1999) war Eichingers zweite Regiearbeit, und der erst durch Eichinger Produktionen bekannt geworden Till Schweiger spielt dabei die Hauptrolle. Das Leben von Till Schweiger geht weiter, das von Bernd Eichinger fand dieses Jahr leider ein viel zu frühes Ende.

 

Nach seinem Studium an der HFF von 1970–73 in München gründet Eichinger ein Jahr später mit 25 Jahren seine erste Produktionsfirma Solaris und produziert 1975 FALSCHE BEWGUNG von Wim Wenders. Der Film gewann in 7 Kategorien den Deutschen Filmpreis. Die gesamte männliche und weibliche Besetzung erhielt die Darstellerpreise. Wim Wenders wurde als bester Regisseur ausgezeichnet. Robby Müller erhielt den Preis für die beste Kameraführung. Peter Handke wurde für sein Drehbuch ausgezeichnet. Peter Przygodda für den besten Schnitt und Jürgen Knieper für die beste Filmmusik.

 

Im Jahr 1975 produzierte Eichinger auch LIEB VATERLAND MAGST RUHIG SEIN von Roland Klick. Dieser Film gewann beim Deutschen Filmpreis 1976 das Filmband in Gold für Kamera (Jost Vacano). Ebenfalls in diesem Jahr produzierte Eichinger DER STARKE FERDINAND von Alexander Kluge. Drei oder genau genommen vier Filme in einem Jahr zu produzieren wäre heutzutage schon eine große Leistung, aber Angesichts des Formats dieser Regisseure, muss man von einer Meisterleistung reden. Ohne Eichingers Anteil schmälern zu wollen, muss aber gesagt werden, dass es sich bei Wenders um seinen fünften Langfilm, bei Klick um seinen vierten und bei Kluge, der in der Zeit von 1960 bis 1975 neben 11 Kurzfilmen schon 7 Langfilme gemacht hat, nicht um Entdeckungen des Produzenten Eichinger handelt.

 

Alle drei genannten Regisseure werden dem Label neuer deutscher Film oder auch junger deutscher Film zugerechnet und hatten sich durch Filme und Preis bereits hervorgetan, bevor sie mit Eichinger zusammengearbeitet haben.

Obwohl vor allem FALSCHE BEWEGUNG ein Erfolg war, drehte Eichinger in der Zeit von 1976 bis einschließlich 1980 nur vier Filme, was nicht mal einer pro Jahr ist, und weder mit Kluge noch mit Wenders gab es im weiteren Wirken von Eichinger eine Zusammenarbeit. Wenders dreht im Anschluss den Film IM LAUFE DER ZEIT (1976) in Eigenproduktion.

 

Die erneute Zusammenarbeit von Klick und Eichinger („Traumpaar des deutschen Films“, Laurens Straub) scheiterte in der Vorbereitungsphase zu CHRISTIANE F. – WIR KINDER VOM BAHNHOF ZOO (1981). Die Regie an dem Film übernahm dann Ulrich Edel, der für Eichinger auch bei LETZTE AUSFAHRT BROOKLYN (1989) und zuletzt bei BAADER MEINHOF KOMPLEX (2008) wieder Regie führte.

 

Das Tragische an dem Zerwürfnis von Eichinger und Klick ist, dass Letzterer,

der danach zwar noch für den Dokumentarfilm DERBY FEVER (1979) und den selbstproduzierten Spielfilm WHITE STAR (1983) den Bundesfilmpreis erhielt, heute nur Insidern bekannt ist.

 

Ein kommerziell erfolgreicher Film ist also nicht nur wichtig für den Produzenten, sondern auch für einen Regisseur. Das Scheitern der „Ehe“ von Eichinger und Klick kann als Wendepunkt der deutschen Filmgeschichte gesehen werden. Der neue deutsche Film hatte einen seiner Höhepunkte mit dem 1978 gedrehten Kompilationsfilm DEUTSCHLAND IM HERBST, bei dem unter anderem Alexander Kluge, Rainer Werner Fassbinder und Volker Schlöndorff Regie führten. Der andere Höhepunkt ist DIE BLECHTROMMEL (1979) von Schlöndorff, mit dem dieser den Bundesfilmpreis, die goldene Palme von Cannes und den Oscar gewann.

 

Da nach dem Höhepunkt – in der Drehbuchtheorie – meist die Auflösung kommt, ging es von da an bergab für den Autorenfilm, und Produzenten wie Eichinger dominierten die Kinolandlandschaft und das mit großem kommerziellen Erfolg. Natürlich dreht Wenders bis heute Filme, aber Autorenfilmer wie Alexander Kluge und das Regietalent Roland Klick sind – abgesehen von Retrospektiven – von der Kinoleinwand verschwunden.

 

Ob Eichinger sich bewusst von dem neuen deutschen Film abgewendet hat, vermag ich nicht zu sagen, aber seine neue Art von deutschen Unterhaltungsfilmen verdrängte im Kino den jungen deutschen Film in eine künstlerische Nische, aus der er bis heute nicht wieder herausgefunden hat. Eichinger dies negativ anzukreiden wollen, liegt mir fern. Vielmehr muss man ihn bewundern für seine Arbeit für sein Aufbegehren gegen die sprichwörtliche Sinnflut an amerikanischen Blockbustern.

In den 80er Jahren produzierte Eichinger DIE UNENDLICHE GESCHICHTE (1983). Weitere Romanverfilmungen folgten: DER NAME DER ROSE (1986) und DAS GEISTERHAUS (1993).

Aber Eichinger war in seinen späten Jahren nicht nur Produzent, sondern auch Autor, und in eben dieser Personalunion war er verantwortlich für so erfolgreiche Filme wie DER UNTERGANG (2004), DAS PARFÜM (2006), DER BAADER MEINHOF KOMPLEX (2008).

 

Neben dieser unvollständigen Liste an anspruchsvollen Film war Eichinger aber auch Produzent von MANTA, MANTA (1991). Der Film kann als eine der ersten deutschen Actionkomödien bewertet werden. Auch die Komikverfilmung von DER BEWEGTE MANN (1994) und der Rap-Film DIE ZEITEN ÄNDERN DICH (2010) sind Eichinger-Produktionen.

 

Zwischen diesen beiden Polen – international anspruchsvoller Film und deutscher Komödie – bewegte sich Eichinger, meist kommerziell erfolgreich, bis zu seinem viel zu frühen Tod am 24. Januar in Los Angeles. Im April 2011 wäre Eichinger 62 Jahre alt geworden.

 

Matthias Diego Staehle Greene