13. November 2003

Überschüsse der Ehe

 

Immer, wenn man diese Truppenschauen zur Zeit des Kalten Kriegs mal wieder sieht, ist man nachträglich erleichtert über die segensreiche Erfindung des Potlatch, das beiden Seiten den tatsächlichen Einsatz des „Geschenks“ ersparte. Man drehte immer noch ein bisschen mehr an der Spirale, aber bis zuletzt blieb es ruhig. Natürlich war das sehr teuer, aber dafür musste dann ja auch ein Teilnehmer aussteigen. Und das ist ja auch der Sinn der Angelegenheit. Verschwenden bis zum Umfallen. Bis es soweit ist, muss gepokert werden.

Im Gegensatz zu Caton-Jones mit seinem „Schakal“ von 1997 kann Hitchcock den Ostblock noch als intakten, ja als gefährlichen und aggressiven inszenieren. Aber es ist, als ob er sich gleich zu Beginn über die Symmetrie der Gegnerschaft lustig machen wollte. Denn die beiden Dreiergrüppchen, die sich in Kopenhagen minutenlang ein unfreiwilliges Stelldichein geben, gehören beide dem Osten an und scheinen damit andeuten zu wollen, dass der Osten vor allem ein Problem mit sich selbst hat, das er bloß nach außen verlagert. Aber so plump ideologisch verfährt der Film dann doch nicht, denn in dem Moment, wo die Amerikaner den rettenden Trenngürtel anlegen, wirken sie ihrerseits ziemlich plump, jedenfalls in den Augen des Vize-KGB-Chefs, der arrogant verlauten lässt, dass er das Problem etwas anders gelöst hätte. In dem Moment, als die kleine russische Familie in Washington zum Rapport angekommen ist, heißt es auch schon wieder Abschied nehmen von ihr, denn die hübsche Tochter verliebt sich erst gar nicht in den französischen Superagenten André, denn der ist schon verheiratet und hat eine Geliebte auf Kuba.

Kuba, das ist der Einsatz beider Seiten. Die Sowjets sind schon drauf, die Amerikaner kommen etwas später und schauen, was die anderen machen. Das geht nur, wenn man die jeweiligen Geschenke verpackt. Die Amerikaner schicken einen Franzosen, die kubanische Witwe ist eine Renegatin, die es trotzdem schafft, ihr Gesicht zu wahren und als Tragödin zu fallen, der Freundschaftsdienst des Franzosen erweist sich als etwas mehr als ein diplomatisches Kavaliersdelikt, und die Frau des Superagenten mischt auch fleißig mit, denn sie ist die Geliebte des Kopfs von Topas, dem Spionagering in Frankreich, der am Anfang des Films für Unruhe sorgte. Ein weiteres Familienmitglied deckt das Feld der Politik ab, der Schwiegersohn von André, der als Journalist und Mitstreiter seines Schwiegervaters einfach mal so ein Interview über die Nato erhält und Fragen stellt, die ihm den Eintritt in jede Journalistenschule verwehrt hätten. Wie man’s macht, erfährt er am eigenen Leib, und bevor er wieder aufwacht, ist sein Interviewpartner schon längst tot.

Die Top-Positionen müssen dagegen wirklich diplomatisch behandelt werden, und im Moment, wo die Hüllen gefallen sind, heißt es ganz konkret in eigener Person den Weg antreten, den bisher immer nur die eigenen Direktiven auf verschlüsselten Pfaden gegangen sind. Am Ende begegnen sich die beiden französischen Agenten auf dem Flugplatz, wo sie sich auf der Rolltreppe ein letztes Mal ins Auge nehmen und sich ganz locker zuwinken. Moskau, New York, man hat noch mal Schwein gehabt.

 

Dieter Wenk

 

<typohead type=2>Alfred Hitchcock, Topas, USA/GB 1968</typohead>