5. Juli 2010

Holzköpfe

 

Ich sitze mit Jochen auf einer Holzbank, mein Arsch tut mir weh, aber das würde ich in dieser Runde nicht zugeben, denn Holz hat hier früher eine große Rolle gespielt, über das Holz redet man einfach nicht schlecht, wohl aber über Dahnberg, der dafür verantwortlich zeichnet, dass wir keine Jobs mehr haben, weil nun Maschinen sich um das Holz kümmern, aber wie Jochen immer sagt, das Holz kann doch nichts dafür, wohl aber Dahnberg, dieses Schwein, wenn wir den bekommen, dann schneiden wir ihm die Hoden ab und stecken sie ihm in sein ungewaschenes Maul, halt, halt, das sage nicht ich, das sagt Jochen, der neben mir sitzt, sich eine Zigarette anzündet und auf den Anpfiff wartet, denn deshalb sind wir hier, wir warten auf den Anpfiff, wir starren alle auf den Fernseher, hier im Dorfkrug, unserer Stammkneipe, die es vielleicht auch nicht mehr lange geben wird, zumindest hat man das gerüchteweise so gehört, der Karl, der hat Schwierigkeiten, er kann die Miete nicht mehr bezahlen, und ihr wisst ja, das Gebäude gehört dem Dahnberg, dem Schwein, dem Kapitalisten aus der fernen großen Stadt, ach, wär er doch nur dort geblieben, murmelt plötzlich der Jochen neben mir, er zieht an seiner Zigarette, er sieht zum Fernseher hin, die werden wir heute kaputt machen, ja, sage ich zu ihm, die Deutschen sind die Deutschen, die werden am Ende siegen, das war ja das Problem, dröhnt es aus der Ecke, es ist der Karl, er schreit, den Endsieg hätten wir damals erringen müssen, dann würden sie uns heute nicht alle auf der Nase rumtanzen, dann gäb es gar nicht erst die Probleme mit den Ausländern, dann hätten wir auch nicht den Dahnberg am Arsch hängen, weil der Führer dem Kapital schon die rechte Faust gezeigt hat, der hätte so einen wie den Dahnberg ins Lager gesteckt, genau da gehört er auch hin, sagt Jochen, nickt dem Karl zu, sie sehen dem Spiel zu, die Deutschen stürmen, der Karl ruft was vom Blitzkrieg, der Jochen lacht und drückt seine halbgerauchte Zigarette im Aschenbecher aus, er bestellt eine Runde Bier, für dich doch auch, ja, sag ich, rücke auf der Bank hin und her, weil mir der Arsch schmerzt, weil ich eigentlich gar nicht hier sein will, aber ich weiß nicht, wohin ich sonst gehen sollte, also spüre ich dem Holz unter meinem Hintern nach, sehe zum Jochen rüber, dann zum Karl, dann wieder zum Fernseher, schließlich aus dem Fenster raus, sehe Dahnberg mit seinem Cabriolet vorbeirasen, der hat wohl keine Zeit für Fußball, denke ich, der muss Geld verdienen, dem schmerzt nicht der Arsch vom Hocken auf einer so harten Bank, das Holz hat unser Leben früher glücklicher gemacht, es hat unsere Zeit ausgefüllt, aber jetzt schmerzt es uns nur noch, ich sollte das vielleicht dem Dahnberg mal sagen, warum auch nicht, ich stehe auf, nicke dem Jochen und dem Karl zu, ich werde jetzt zu Dahnberg fahren, werde ihm meinen schmerzenden Hintern zeigen, ich werde ihm die Axt zeigen, mit der wir früher das Holz gespaltet haben, ich werde seinen Kopf spalten, weil der wahrscheinlich auch aus Holz ist, denn Gedanken scheinen sich keine darin zu befinden, zumindest keine, die sich um den Jochen, den Karl oder mich drehen, ich nicke dem Jochen und dem Karl zu, ich muss mal pinkeln, sage ich, gehe nach draußen, schiffe ins hohe Gras, gehe wieder hinein, starre in den Fernseher, wir liegen mit einem Tor hinten, so wird das nichts, denke ich mir, die haben uns alle an den Eiern, ich order noch ein Bier, rücke unruhig hin und her, spüre dem Holz unter meinem Hintern nach.

 

Guido Rohm