23. Juni 2010

Atemlos

 

Die meisten Romane langweilen. Über 150 Seiten schaffe ich nie. Also greift man auf Ted Lewis, Jim Thompson, Daniel Woodrell zurück.

Rezensionsexemplare treffen ein. Der neue Roger Smith. (Besprechung folgt.) Wenigstens mal ein Lichtblick im Dunkel.

Zigaretten. Kaffee. Die eigene Schreibe.

Und dann plötzlich bekommt man einen Autor serviert, an dem man sich endlich mal verschluckt. Nicht dieser Einheitsbrei, den man sonst vorgesetzt bekommt. Rohe, grobe Fleischklumpen. Serviert in leckerer Minzsoße. Garniert mit den Sägespänen aus einem irischen Pub. Man setzt sich aufrecht hin, reißt die Augen auf. Liest!

Der sichere Tod. Von einem gewissen Adrian McKinty.

Eine dürre Geschichte. Dazu noch geklaut. Ire kommt in die USA. Erledigt Aufträge für einen zwielichtigen Burschen. Verliebt sich in dessen Freundin. Wird verraten. Landet im mexikanischen Knast. Flieht. Kehrt zurück. Rächt sich.

Das soll es gewesen sein?

Tja, wenn da nicht diese verflucht genialen Sätze wären, diese Ich-treib-dich-in-den-Tod-Wortsalven.

Wie war der Name? Adrian McKinty. Warum kannte ich den bisher noch nicht?

McKinty verfügt über etwas, das es heutzutage selten zu finden gibt.

SOUND!

Er schreibt in einem atemlosen Stakkato. Ellipsen. Als würde es kein Morgen geben. Könnte sein. Denn sein 19-jähriger Held Michael Forsythe hängt etwa zur Hälfte des Buches kopfüber in einem Berg Scheiße. Die hat sein Gegenspieler in Mexiko aufgeschüttet. Und nun muss er erst mal strampeln, um aus dem Mist wieder raus zu kommen.

McKintys Beschreibung von Forsythes Flucht aus dem mexikanischen Gefängnis muss zu Recht zum Besten gezählt werden, was die Krimiliteratur in den letzten Jahren verbrochen hat.

Wenn der Begriff Pageturner einen Sinn ergeben soll, dann wurde er für Romane wie diesen erfunden. Blättern ist Pflicht. Also liest man rasch. Kommt zum Ende. Und flucht. Wann kommt denn der nächste McKinty? Wird kommen. „Der sichere Tod“ ist der Auftakt einer Trilogie. Denke: Nicht schon wieder eine Trilogie. Die Welt wird mit Trilogien zugeschissen.

Bei McKinty ist das etwas anderes. Man kann es kaum erwarten. Man fiebert. Wird süchtig nach dieser Droge. Und wenn man sie nicht bald bekommt, dann ist der Tod sicher. Schweiß. Angst.

Ich werde durchhalten. Irgendwie.

Was bleibt? Kaffee. Zigaretten. Die eigene Schreibe. Und die Gewissheit, einen wirklich großen Roman gelesen zu haben.

 

Guido Rohm

 

Adrian McKinty: Der sichere Tod (Dead I well may be), Suhrkamp 2010

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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