9. November 2003

Wenig Zeit kostet auch nicht viel

 

Was macht man in fünf Minuten? Man putzt sich die Zähne, kocht Kaffee, programmiert den Videoapparat, steht auf dem U-Bahngleis oder vor einer hartnäckigen Ampel… Das eine macht man freiwillig oder aus Gewohnheit, das andere, weil man nicht alle Zeitschaltpläne selbst in der Hand hat. Was macht man, wenn man fünf Minuten Zeit hat? Wenn man zum Beispiel im U-Bahnschacht steht und wartet. Man tötet die Zeit durch Nichtstun. Weil fünf Minuten dazwischen eine ganz schlechte Zeitspanne ist. Man kann nichts richtig anfangen. Also auch nichts wirklich zuende bringen. Es gibt Statistiken, wie viel Zeit der durchschnittliche Zeitgenosse verschwendet, sei es souverän oder durch Fremdverschulden. Das sind dann nicht Wochen oder Monate, sondern Jahre, und wenn man dann noch die Zeit hinzunimmt, die man durch Schlaf versiebt, gibt es einen zwei Drittel des Lebens überhaupt nicht.

Hin und wieder einen existenzialistischen Schub zu bekommen, kann also gar nicht schaden. Zum Beispiel dadurch, dass man sieht, was andere mit fünf Minuten anfangen, für deren Verwendung sie in irgendeiner Weise Rechenschaft ablegen müssen. Noch vor der sichtbaren Einführung des Euro haben zwölf Regisseure die Möglichkeit bekommen, ganz konkrete Angaben darüber zu machen, wofür sie 99 Euro investieren würden, wenn sie einen Fünf-Minuten-Film drehen sollten. Nach einer Stunde gibt es das im Abspann des tatsächlich realisierten Projekts zu prima Musik zu lesen. Zwei Flaschen billigen Sekt, zwei Kisten Bier, eine amerikanische Schrottkarre. Menschen musste man glaube ich nicht mieten. Dazu hat man ja Freunde, die nicht unbedingt Schauspielern können müssen. Im Gegenteil, in Kleinst- und Billigproduktionen ist weniger ja immer mehr. Und eigentlich muss so ein kleiner Film auch gar nicht gut sein, kann man sich doch dann als Zuschauer zu seinem Nachbarn umdrehen und ihn oder sie bedeutungsvoll ansehen. Außerdem geht’s ja immer weiter.

Bis auf den letzten Film, der hier aber auch wirklich der beste war, insofern jedenfalls, als ich mich nur an ihn erinnern kann. Das Mieten wird hier filmisch selbst zum Thema gemacht. Drei junge Mädchen, alle ganz hübsch, ziemlich aufgetakelt, mieten sich einen Jungen, der mit ihnen allen schlafen soll, möglichst in einer Nacht, und das auch noch open-air. Der Junge redet nicht (er ist Engländer, sollte er also vielleicht doch als Schauspieler gemietet sein??), wirkt aber sehr souverän und nicht so kindisch wie die Mädchen. Am Ende verschwindet er wirklich mit einer hinter dem Busch. Als Fünf-Minuten-Projekt hat mich das ziemlich überzeugt, denn nur darum geht es ja schließlich im Kino, Liebe und Sex. Ganz lustig war auch noch der Beitrag mit dem Boxen, wo Leute ihren Alltagsfrust abladen konnten, indem sie einen Typen für fünf Minuten mieten konnten (schon wieder die Miete), dem sie eins in die Fresse hauen durften. Als einer dann mal wirklich zuschlägt, angeblich, weil der Anbieter selbst aggressiv geworden war, ist dieser stinkesauer und blutig im Gesicht. Im Abspann ist dann zu lesen, dass der Typ einfach Geld verdienen wollte, um seine Schulden zu bezahlen, weil seine kleine Computerfirma Pleite gemacht hatte. Aber ganz gute Anwendung im Film selbst noch mal mit den fünf Minuten. Und ich mach jetzt auch Schluss. Ist eh schon zu lang.

 

Dieter Wenk

 

Diverse, 99 € Films, D 2001