Katastrophe auf hoher See
Im zweiten Teil der Graphic Novel „Jeronimus“ („Schiffbruch“) wird die verhängnisvolle Lebensgeschichte des Unterkaufmanns Jeronimus Cornelisz fortgesetzt.
Nachdem die „Batavia“, ein Retourship der Vereinigten Ostindischen Compagnie, den Amsterdamer Hafen im Oktober 1628 verlassen hat, um eine Überseereise nach Java zu machen, steuert sie auf ihren Untergang zu. Der Protagonist Jeronimus Cornelisz hat sich bereits im ersten Band („Ruhe vor dem Sturm“) von sich selbst entfremdet und sich unmerklich in einen anderen Menschen verwandelt. So unternimmt er beispielsweise nichts, als eine maskierte Gruppe der Crew eine Adelsdame misshandelt, um eine Meuterei anzuzetteln. Doch zum Aufstand auf hoher See kommt es erst gar nicht, weil eine größere Katastrophe die Machtstruktur an Bord schlagartig verändert, wodurch die niedersten Instinkte der Besatzung zutage treten.
Auch im zweiten Band verwendet Dabitch eine abwechslungsreiche Mischung aus Voice overs und knappen Dialogen und fügt selbstreflexive Gedanken in seine Erzählung ein – zum Beispiel Vermutungen über das Psychogramm des Anti-Helden. Während der erste Band als Einleitung und Vorspiel gewertet werden kann, ist der zweite Band ein einziges Spektakel, das von einer nervenzerreißenden Spannung begleitet wird. Die Psychologisierung des Protagonisten und die dargestellte Alltagskultur auf dem Schiff machen diesen Ausschnitt aus der Mikrohistorie für den Leser lebendig.
Pendax’ Zeichnungen werden wie im ersten Band mit impressionistischen Farben kombiniert, die nach Öl- oder Acrylfarben aussehen. Die dichte narrative Atmosphäre verknüpft sich mit den Bildern zu einem einheitlichen Ganzen.
Der Cliffhanger am Ende schraubt die Spannung noch mal ganz nach oben. Auf die Fortsetzung kann man gespannt sein.
Marco Behringer (03/10)
Christoph Dabitch (Text)/Jean-Denis Pendax (Zeichnungen und Farben): Jeronimus. Zweiter Teil: Schiffbruch. Schreiber & Leser 2010. Hardcover, 96 Seiten. Euro 22,80