21. März 2010

Orgien der Abwesenheit

 

Die Bilder Leszek Skurskis haben die Leinwand als offene, weite Fläche neu entdeckt. Er zelebriert in seinen monochromen Bildern Orgien der Abwesenheit. Momentaufnahmen des Sichtbaren und des Unsichtbaren. Gefrorene Schnappschüsse des Lebens im Stillstand. Alles befindet sich im engen Rahmen der Leinwand, auch wenn es nicht direkt sichtbar wird. Die Vereinsamung als Manifest des Daseins. Die Vereinzelung als letzte Rast für die Augen vor dem Unaussprechlichen: dem Nichts.

 

Der aus Polen stammende Künstler Leszek Skurski stellte in Deutschland, in den USA und in Südafrika aus. Ein Kosmopolit, der mit wachen, ironiegetränkten Augen auf die Wirklichkeiten der Welt und die Unwirklichkeiten des Kunstmarkts blickt. Er hat seinen Hopper genau studiert und überführt ihn in die kühle maschinensatte Sachlichkeit des 21. Jahrhundert. Stählern wirken manche Bilder. Der belgische Künstler Louis Dutroux sprach gar von einem Generalangriff Leszek Skurskis auf die „herkömmlichen Unsitte des Abendlandes, sich in Ikonen verewigen zu müssen“.

Skurski ist ein Ikonoklast. Er rüttelte an den Mauern einer manierierten Pathetik, die sich heute mit Werbebildern und Blockbusterfilmen aus Hollywood Hallen eines neureligiösen Empfindens schafft.

Es geht Skurski um eine Rückkehr zu den Wurzeln der „geschichtslosen Geschichte“ (Louis Dutroux), die den Menschen wieder ins Zentrum setzt, ihn quasi reinstalliert. Statt Dekonstruktion zielt Skurski auf die Rekonstruktion.

Die dem Bild anhängende Geschichte folgt erst auf den zweiten Blick. Sie befindet sich außerhalb der Leinwand und muss vom Betrachter erst entschlüsselt oder ersonnen werden. Kunst, die an die besten Geschichten eines Ernest Hemingway erinnert. Die Eisberg-Theorie Hemingways kommt hier zu neuen Ehren.

 

Es scheint so, als ob sein Bilderpersonal der Welt abhanden gekommen wäre. Dabei ist es genau umgekehrt. Die Welt ist den Wesen im Bildkäfig abhanden gekommen. Sie spüren sich oder einem anderen nach, ohne dass man die Bewegung, die daraus resultiert, wirklich bemerken würde. Seine Körperstudien zeigen vor allem Entbehrung.

 

Leszek Skurski ist der Moderator des Endlichen. Ein Vermesser der Begrenzung, die sich nach dem Grenzenlosen sehnt.

 

Guido Rohm