14. März 2010

Rückrufaktion

 

Ihre Hochheiten, die Obskuren, bitten zum Blättern in ihrem einmaligen Format des Hochstands. Nichts Neues unter dieser Sonne, könnte man meinen, wäre da nicht die Verblendung selbst, einen Riktus hervorrufend. Endlos am Rücken entlangfahrend, aber ganz ohne Tiefe. Die Entfernung des Museums selbst. Es geht also ganz unzivilisiert zu, wenn man diese beiden Brocken in den Händen hält. So viel Hilflosigkeit war nie. Und keiner, dem entgegenzutreten, offensichtlich. Heimschwäche. Der Museums-Moderator als Design-Radikator. Oder ein bloßer Witz zweier älterer Herren. Das wäre aber auch zu dämlich. Tritt so, an den Ohren langgezogen, der Mythos auf? Man möchte die Dinger ja ständig ineinanderschieben. Aber das geht nicht. Dann noch lieber Publikationen in Form eines Schwarzen Quadrats. Für Brücken ins Geisterreich. Diese beiden Türme sind schon längst zu Asche verstaubt. Allerdings brauchte es dazu keiner Attentäter. Nur eine kleine Bücherverbrennung. Als Sägeaktion könnte man das schon wieder als Kunst verkaufen. Später Sprengstoff des Lehrers Sedlmayr. So aber ist der Formatierungsnotstand des Postindividuellen zu konstatieren. Ein Individuum hätte das nie zugelassen. Tabubruch? Dekonstruktives Ausreizen? Eine Vergänglichkeit mehr. Vielleicht hat man Spencer Browns Imperativ zu wörtlich genommen: „Draw a distinction“. Distinktionsgewinne sehen anders aus. Albert Camus hat ein Buch geschrieben mit dem schlichten Titel „La chute“. Darin fordert der Protagonist, ab einem bestimmten Alter sei man für sein Gesicht verantwortlich. Die andere Seite ist der Gesichtsverlust. Das könnte man auch das Zentrum des Mythos nennen. Und würde man bitte einmal diese Folklore beerdigt sein lassen? Überhaupt sollte sich viel eher das neuronale Netz als Beschreiber vor die Werke der Kunst stellen. Und action. Die Worte sind Zugaben, die schon wieder auf andere Nerven gehen. Kein Platz für Präzision. Heilloses Durcheinander. Wenn aber die cartesischen Schablonen nicht mehr verfügbar sind? Dann doch die Museen schließen? Also auch die Avantgarde untätig werden lassen? Diese angeblichen Müllsammler des Gewesenen? Trainiert zum Recyclen und Quintessenzieren? Das Schlimme ist ja, dass man sich mit diesen Latten lächerlich machen würde, träte man damit irgendwo in der Öffentlichkeit auf. Ein Lachsack würde verstummen, so apart war man schon lange nicht mehr. Bleibt eine Empfehlung für Kaminfeueranzünder. Allerdings muss kein Loos aufgehen. Die Duplizität dieses Titels ist ein Dauerbrenner. Hier herrscht nicht die zweite Moderne, sondern schlechte Mode. Oder reckt man die Nase in Richtung haute couture? Verpuffung des Untragbaren. Wie soll denn ein Gestell ein Buch sein. Denn da ist keine Zeile, die nicht vor Höhenangst zitterte. Wir brauchen keinen Hochgeschwindigkeitslift für hochgestapelte Absätze.

 

Dieter Wenk (03-10)

 

Bazon Brock & Hans Ulrich Reck, Utopie und Evidenzkritik / Tarnen und Täuschen. Diskursive Twin Towers / Theorieturnier der Dioskuren, hg. von Christian Bauer, Hamburg 2010 (Philo Fine Arts, Fundus 185/186)

 

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