5. März 2010

Ein kurzer Rülpser


Gott wusste es. Steinbeck wusste es. Und Dostojewski wusste es auch. Brüder machen sich in der Literatur gut. Da steckt eine Menge Genmaterial und Potenzial drin. Seit Kain seinem Bruder Abel den Garaus machte, haben sich Autoren immer wieder mit den Abgründen der Geschwisterbeziehung beschäftigt. John Niven tut es auch. Gary und Lee. Zwei Brüder. Der eine, ein mieser Golfer. Der andere, ein mieser Kleinganove. Sportdrama und Gangsterkomödie. Oder umgekehrt. Seit „The Big Lebowski“ ist es en vogue, kuriose Typen mit einer bisher kaum beachteten Sportart zu paaren. In COMA ist es Golf. Mal sehen, was als Nächstes kommt.

Gary geht einem langweiligen Bürojob nach. Der Hund seiner Frau hasst ihn. Und seine Frau liebt den Hund. Außerdem noch Geld, Villen und vor allem sich selbst. Gary liebt seine Frau. Er hasst den Hund. Und er liebt das Golfspiel. Leider ist er darin eine völlige Niete. Als er eines Tages von einem unglücklich geschlagenen Golfball am Kopf getroffen wird, ändert sich sein Leben grundlegend. Er leidet, Verficktearschfotzenscheiße, an Tourette, masturbiert unter Druck auch mal in der Öffentlichkeit, und er ist plötzlich ein Gott von einem Golfer. Es will ihm einfach kein Schlag mehr misslingen. Was will man da machen? Das Leben kann einen schon manchmal gehörig arschen.

Sein Bruder Lee hat da ganz andere Probleme. Schulden sind ein Teil davon. Ein Mordauftrag ein anderer. Und während es bei Gary immer besser läuft, gerät Lee immer tiefer in den Schlamassel. Und schon sind wir mitten drin im Brüderdrama.

So weit, so gut. Da ist alles drin, was ein Kultroman heute zu bieten haben muss. Oder zumindest das, von dem die Autoren denken, es müsste drin sein. Schräge Masturbationsszenen, eine schräge Sportart und natürlich noch schrägere Gangster, die wissen, wie man Typen wirklich schräg umlegt.

Das wirklich Ärgerliche an John Nivens Roman COMA ist, dass er nicht wirklich schlecht ist, aber auch nicht wirklich gut. Dazu fehlt ihm dann doch einiges. Alles ist zu glattpoliert. Bestsellerautoren hätten ihren Spaß daran. Hier kann man lernen, wie man erfolgreiche und professionelle Texte fabriziert. Aber sollten Autoren wirklich wie Fabriken arbeiten? Man kommt an die Buchstaben ran. Nicht aber an die Personen. Die bleiben eben auch nur glattpolierte Oberfläche.  

Am Ende bleibt von COMA ein fader Geschmack im Mund, ein flaues Gefühl in der Magengegend, ein kurzer Rülpser. Und schon hat man ihn vergessen. Solche Romane sind die Cheeseburger unter den Romanen. Sie funktionieren nur über die Geschmacksverstärker. Sie sind fettig. Und sie werden weltweit gefressen. Lesefutter für die Masse eben. Aber der Nährwert ist Null. Und hat man dann mal wieder einen gehabt, weiß man sofort, warum man eigentlich nie wieder einen essen wollte.    
 
TOM TORN (Übersetzt von Ute Paulsen)

John Niven: COMA (The Amateurs), Wilhelm Heyne Verlag, München 2009

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