14. September 2009

Check the story out

Robbi Robb

 

Das Leben von Robbi Robb hat mit vielen Lügen im Apartheidsregime Südafrikas begonnen. Sicherlich ein starker Impetus, der ihn zum charismatischen Aufklärer machte. Er muss jedoch niemanden mit agitatorischer Verbalgewaltkunst überzeugen oder politische Pamphlete verteilen. Er möchte mit seiner Band TRIBE AFTER TRIBE die Leute einfach zum Nachdenken bringen und lässt jedem die Zeit, die er dazu braucht. Seine Mittel sind innovative Rocksounds mit ausgefeilten Lyrics und etwas, das er "Medicine-Talk" nennt. Letzterer zielt auf Verständnis und das Erkennen wahrer menschlicher Werte. "Ist dieser Schritt erst einmal vollzogen, folgt der Rest von allein."

 

Begonnen hat alles in Südafrika. Geprägt wurde er als Kind weißer Eltern von der Geschichte des Zulu-Königs, der alle Weißen der Region zu einer großen Feier einlud. Spätnachts, auf dem Höhepunkt der Party, als alle fröhlich tanzten und betrunken waren, gab der Zulu-König sein Kommando und ließ sämtliche Weiße niedermetzeln. "Von da an konnten wir keinem Schwarzen mehr trauen. Diese Geschichte in deinem Kopf wird zu deiner DNA, zu deinem Gedächtnis, zum Teil deiner Geschichte. Diese Geschichte, die vielen von uns erzählt wurde, wurde so zum Teil der Menschheit, der menschlichen DNA. Es war eine der ersten Geschichten, die uns erzählt wurde. Viele Leute zelebrierten diese Geschichte, als ob es ein reales geschichtliches Ereignis gewesen wäre. Ich denke, die Erzählung ist in viele DNAs gewebt worden."

 

Doch Robb misstraute den Geschichten. Als einziger Weißer hat er dann einige Zeit illegal in den schwarzen Slums gelebt, um die Lügen aufzudecken und gleichzeitig eine faszinierende Kultur kennenzulernen. Die Musik war ihr verbindendes Element. Mit den alten Männern zelebrierte er den Blues auf der Straße, trommelte mit Stammesführern. "Sie haben nichts, aber sie tanzen in den Straßen", so sein Fazit über eine erfahrungsreiche Zeit und diese herzlichen Menschen, die im Elend hausen mussten und ihn nicht als Feind, sondern als Freund aufgenommen haben.

 

"Jeder muss die Geschichten infrage stellen und versuchen, die Mythen zu durchdringen. In dem Moment, in dem die Menschen auf ihre Geschichten und Mythen sehen können und sich eingestehen, dass sie möglicherweise nicht wirklich wahr sind, könnten sie zu einem neuen Verständnis der Geschichte finden. Mit diesem neuen Verständnis könnten sie sogar Frieden in den Nahen Osten bringen. Und wenn man es schafft, Frieden in den Nahen Osten zu bringen, dann wird man es schaffen, den gesamten Planeten zu verändern. Der Nahe Osten ist die Urquelle unserer Spiritualität in der ganzen Welt. Alle Religionen sind hieraus entsprungen. Wenn man es schafft Frieden im Nahen Osten zu schaffen, dann ist Friede auf der ganzen Welt möglich. Go inside, check the story out, clean that story out of your body, and then look at the world with new eyes. And then the politics will change."

 

Robbi Robb gründete später die Rockband Asylum Kids, mit der er Anfang der 80er politisch wirkte und große Erfolge in Südafrika feiern konnte. Zu politisch und zu erfolgreich für die Regierung. Sie wurde zensiert, politisch verfolgt. "Wir waren eine wirklich revolutionäre Band. Ein wenig wie The Clash, nur politischer. Dadurch bekamen wir eine Menge Schwierigkeiten. Wir wurden natürlich auch pressemäßig zensiert. Wenn du einen Artikel über uns geschrieben hättest, dann wäre stattdessen ein leerer Kasten in der Zeitung erschienen. Sie haben das ganz bewusst gemacht, um uns wissen zu lassen, dass man uns beobachtet." Als es zu gefährlich wurde, musste Robb via Amnesty International 1986 in die USA emigrieren.

Hier beginnt die Geschichte von Tribe After Tribe. Erste Achtungserfolge erzielten sie mit ihrem selbst betitelten USA-Album. Doch selbst das folgende, absolut herausragende Meisterwerk "Love Under Will", ein Supportslot für und innige Freundschaft mit Jeff Ament von Pearl Jam zeichneten nicht mehr als eine gewisse Annerkennung für die Band. Auch das Three-Fish-Projekt mit Jeff Ament war eher ein Geheimtipp. Zu eigenwillig, wenig kommerziell und andersartig schien die Musik, um Massen zu erreichen. Bei Tribe After Tribe legt sich eine psychedelisch-hypnotische Rockgitarre über afrikanische, indianische und arabische Rhythmen und erzeugt in Symbiose mit dem energetisch-melancholischen Gesang einen fast magischen Sog. Eigensinnigkeit, innovative Rocksounds und musikalische Qualität überzeugen in ungewohnter Weise – und das seit über eineinhalb Dekaden. All dies wiederum Kennzeichen des fast unbemerkt veröffentlichten aktuellen Albums "M.O.A.B.".

 

Vorausgegangen war diesem die CD "Enchanted Entrance", welche ungewohnt düster und elektronisch gehalten ist. Bei einem Surfunfall brach sich Robb einen Arm, und es gab viele persönliche Veränderungen. "Ich konnte nicht mehr Gitarre spielen. Sogar jetzt kann ich eine Akustikgitarre nicht länger als fünf Minuten halten. Es war eine kalte und düstere Zeit. Ich konnte nicht spielen, mit der Musikindustrie ging es bergab. Es gab viele Veränderungen. Eine Beziehung ging in die Brüche, ich begann eine neue. Es war eine wirklich seltsame Zeit."

 

Auf "M.O.A.B. – Stories from the deuteronomy" werden die musikalisch-afrikanische Vergangenheit, düstere Melancholie und treibende Rockriffs zu einer energetischen Synergie komprimiert. Der Titel bringt die Vieldeutigkeiten des Begriffs in politisch-religiöse Zusammenhänge und zeigt wiederum den spirituell und religiös sehr gelehrten Menschen. Bereits mit elf Jahren lebte er in einem buddhistischen Kloster. Im Laufe der Jahre studierte er die verschiedensten Religionen. Robbi Robb will dabei aber nicht auf eine Religion festgelegt werden, sondern zieht hieraus Lehren für seine ganz persönliche spirituelle Haltung. Selbst Aleister Crowley hat für ihn interessante Theorien veröffentlicht.

 

Das Album erzählt einerseits vom Auszug der Israeliten aus Ägypten. Moab hieß die Wüste, durch die Moses sein Volk 40 Jahre lang führte, um das gelobte Land zu finden. Es schlägt dann einen weiten Bogen zum heutigen Amerika. "Als Bush im Begriff war, den Irak anzugreifen, hatte Saddam Husein gesagt: "If you do that you´ll start the mother of all battles." Die amerikanische Antwort darauf war die Massive Ordnance Airblast Bomb. Robb erzählt die Geschichte der Menschheit. Eine Geschichte von Vertreibung, Völkermord und Verirrung, aber auch eine Geschichte von Hoffnung und Bestimmung.

 

Angesichtes der aktuellen Krise im Nahen Osten wäre es wünschenswert, wenn mehr Menschen ihre Geschichten durchdringen und ihre Mythen infrage stellen würden, um sich der wirklichen "Mother of all battles" zu widmen, dem Kampf gegen Hunger und Armut in der Welt.

 

"Put down the guns, put down the books, put away the pointing fingers of blame ... come away from the temples and into the fields, and there let us work together to eradicate disease and poverty from the face of the earth. This is the Mother Of All Battles."

 

Christian Eder

 

robbirobb.com

 

Der Artikel wurde vor Kurzem bereits im noisyNeighbours Zine veröffentlicht.

 

Fotos unter robbirobb.com/bands/tribeaftertribe/media/press.php

Live-Fotos unter robbirobb.com/bands/tribeaftertribe/media/live.php