Hartgekocht - drei
Jack Taylor ist ein Säufer. War bei der Polizei. Katapultierte sich durch einen Übergriff raus. Ging einem hochrangigen Politiker an die Wäsche. Als echter Säufer hatte er natürlich Alkohol im Blick, in den Fäusten und im Blut. Und schon ist man wieder Privatperson. Was macht man dann? Hängt in der Kneipe. Was sollte man als Säufer auch sonst tun? Taylor bleibt nicht viel Wahl, weil er in allen Kneipen Hausverbot hat. Eine nimmt ihn noch auf. So sehen letzte Chancen aus. Und einen Auftrag als „Privatermittler“ bekommt er zusätzlich. Er soll den angeblichen Selbstmord einer Jugendlichen aufklären. Die Mutter glaubt an Mord. Damit steht sie allein auf weiter Flur. Trauer vernebelt ja bekanntlich den Blick. Alkohol auch. Also passen die beiden gut zusammen.
Ken Bruen, Gottvater und Schöpfer des saufenden und lesenden Jack Taylor, sieht wie ein Möbelpacker aus, der seine besten Zeiten hinter sich hat. Harry Rowohlt sieht wie einer aus, der die besten Zeiten schon immer hinter sich hatte. Der eine kommt aus Irland, der andere sieht wie ein Irlandklischee aus. Passen also auch gut zusammen. Rowohlt übersetzte den Roman des Möbelpackers. Was gut war. Denn so können wir einen köstlichen Roman in Händen halten, der uns wieder einmal vor Augen führt, warum wir irgendwann unsere Liebe zur Literatur entdeckt haben. Geschliffene Sätze, die wie Diamanten funkeln und schneiden. Man möchte sie am liebsten in den Händen drehen und anschließend in ein Schmuckkästchen legen. Nur nicht zurück ins Buch. Das kann ja jeder ungewaschene Flegel kaufen und entweihen.
Jack Taylor. Ein Held, der gar keiner ist und den wir in der Wirklichkeit mit einem Naserümpfen links liegen lassen würden. Bloß weg von dem Penner. Aber als Romanheld packt er uns. Müssen ihn nicht riechen, nicht schmecken, nicht anfassen. Da kann eine solche Freundschaft schon mal gut gehen. Und sie geht gut. Und wird halten. Das ist das Beste daran.
Wir begleiten Jack Taylor durch die Höhen und Tiefen des Säuferdaseins. Schnapsberg hoch. Schnapsberg runter. Können aber zum Glück ohne Kater aus dem Buch verschwinden. Das ist das Glück und Vorrecht des gesundheitsbewussten Lesers.
Taylor fliegt einfach überall raus. Aus dem Job. Aus den Kneipen. Aus der Wohnung. Wer draußen ist, will rein. Taylor nicht. Er wartet und trinkt.
Optionen in seinem Leben bieten die Bücher. Die Liebe zu denen lernte er vom Vater. Hat sie behalten. Gehegt. Gepflegt. Der Roman ist durchsetzt mit Zitaten. Und als Noir-Autor zitiert Bruen natürlich viele andere Noir-Autoren. Das sind innerreligiöse Auseinandersetzungen.
Das Ganze ist ein Krimi. Ist kein Krimi. Ist ein großes Stück Literatur, großartig in seiner Gebrochenheit. Ein episches Fragment.
Ken Bruen, Jahrgang 1951, hat am Trinity College in Dublin über Metaphysik promoviert. Was soll aus solchen Leuten schon werden? Erleuchtete? Möbelpacker? Säufer? Literaten?
Geschadet hat es Bruen nicht. Oder vielleicht doch? „Jack Taylor fliegt raus“ ist ein extravaganter Roman der Sonderklasse und man kann sich nach der Lektüre nur mit dem einen Gedanken befrieden: Der nächste Jack-Taylor-Roman ist unterwegs.
Bis dahin sollten wir einen Brandy trinken und warten.
Guido Rohm
Ken Bruen: Jack Taylor fliegt raus, Roman, Übersetzt von Harry Rowohlt, Atrium Verlag 2009
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