18. August 2009

Hartgekocht - Eins

 

Joe Marlin ist ein Abzocker. Er ist einer jener gerissenen halbseidenen Hochstapler, die sich mehr schlecht als recht durch das Leben kämpfen. Er mietet sich in teuren Hotels ein ohne die Rechnung bezahlen zu können. Aber was soll der Geiz? Man macht sich einfach aus dem Staub und ab geht es in die nächste Stadt. Ins nächste Hotel. Er hofft auf die Hoffnung. Die zumindest hat ihn bisher noch nicht verlassen. Irgendwo wird sich schon eine reiche Schönheit auftun, die er sich angeln kann. So denkt sich das Joe Marlin zumindest.

 

Die nächste Stadt. Die nächste Glückssuche. Aber wie in einem Luxushotel absteigen, wenn man nicht mal Gepäck hat. Man besorgt sich einfach Koffer am Bahnhof. Marlin packt sich zwei Lederkoffer. Und schon sitzt er auf dem flauschigen Bett seines Wunschhotels.

Er staunt natürlich nicht schlecht, als er in einem der Koffer ein knappes Kilo Heroin entdeckt. Was fängt man damit nur an? Das gleiche fragt er sich bei Mona. Er lernt die Schönheit am Strand kennen und verliebt sich Hals über Kopf in sie. Nie hätte Marlin gedacht, dass ausgerechnet ihm das passieren würde. Aber die Zufälle wollen es so. Oder kümmert sich das Schicksal plötzlich um ihn?

Die gute Mona meint es gut mit ihm. Sie kümmert sich um seinen Trieb, seine Hoffnungen und seine Zukunftsplanung. Die beiden hecken nämlich schnell einen Mordplan aus. Das Opfer soll Monas Mann sein.

Und weil Marlin alles im Griff hat, nur sich selbst nicht, merkt er nicht, in welch raffinierte Falle er langsam tappt.

 

Seit Sophokles wissen wir: Sex und Verbrechen zieht immer. Bill Shakespeare wusste es auch. Block ist einer ihrer legitimen Nachfolger.

Der 1938 geborene Block schreibt schnell, hart und mit dem nötigen Biss. Und doch ist nichts so, wie es auf den ersten Blick scheint. Er legt uns rein, der alte Haudegen, aber das merkt man erst zum Schluss. Aber Ende ist Ende. Er war besser. Wir sind auf ihn reingefallen. Er ist eine Art Marlin des Noir-Krimis. Wir sollen süchtig nach ihm werden. Schnell hängt man an seiner Nadel. An seinen Worten.

„Abzocker“ zockt den Leser ab. Wir lassen uns von dem bunten Genreblumenstrauß betören und damit begehen wir schon den ersten Fehler. Block tischt alle Gerichte des Noir-Krimis auf. Der Verlierer. Die gefährliche Schöne. Die Versuchung. Viele Zigaretten. Viel Alkohol. In diesem Roman wird wirklich verdammt viel geraucht und getrunken.

Irgendwann hat uns Block dann in die Irre geführt. Er schreibt gut. Ein Meister. Er treibt die Geschichte unbarmherzig voran. Er gönnt uns keine Pause. Und das alles, um uns am Ende die volle Wucht seiner Schreibe in den Magen zu rammen.

 

Sollte es einen Himmel für Krimiautoren vom Schlage eines Lawrence Block geben, dann werden wir sie dort erst gar nicht antreffen. Sie werden sich dann schon längst aus dem Staub gemacht haben. Sitzen vielleicht auf eine Zigarette beim Teufel höchstpersönlich oder aber sie sind auf die Erde zurückgekehrt. Über was hätten sie denn auch im Himmel schreiben sollen? Ihre Themen finden sie nur unter den Gefallenen.

Ihre Themen? Mord, Liebe, Verrat, Gier, Eifersucht, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Angst, Leichtsinn, Geld und Sex.

Um die Jungs mal aus dem Ghetto raus zu holen, in die sie immer wieder gerne von der „Hochkultur“ getrieben werden, müssen wir noch mal zu Bill Shakespeare kommen. Nehmen wir den leicht verwirrten Hamlet. Was ist es für ein Stück? Richtig! Ein Stück der Kriminalliteratur. Über was schrieb Bill denn so? Richtig! Über Mord, Liebe, Verrat, Gier, Eifersucht, Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, Angst, Leichtsinn, Geld und Sex. Er war also ein echter Pulpautor. Keine Frage. Der beste von allen. Aber Block ist auch nicht von schlechten Eltern.

 

Guido Rohm

 

Lawrence Block: Abzocker, Krimi, Rotbuch-Verlag 2008

 

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