30. Juli 2009

Herzerkältend

 

Besser, als George-Arthur Goldschmidt in seinem Vorwort zu Guido Rohms Band mit Kurzgeschichten formuliert, kann man es eh nicht ausdrücken: „Seine Erzählungen durchbrechen die wohlige Lesebequemlichkeit und kompromittieren den Leser, machen aus ihm einen Mittäter, jedenfalls einen Zeugen.“

Das kann man so jedenfalls von zwei Dritteln der Kurzgeschichten in diesem Band sagen. Die Geschichten sind herzerkältend, nicht etwa weil sie so ganz besonders ausführlich abartig, ziselliert monströs oder sonst von spezieller Brutalität wären, die Geschichten sind schlicht abscheulich wie deutsche Tv-Krimis, genauso banal und fürchterlich übertrieben, allerdings völlig ohne deren Betulichkeit (die für das Fernsehen offenbar den entscheidenden Kniff darstellt). Guido Rohm macht es also anders. Er schreibt obenhin, zügig und unbeteiligt, als wären diese Geschichten Tagesnachrichten und nicht seine Fiktionen. Dieses gemischte Doppel aus Fiktion und neutraler Berichterstattung, Krimiliebhaberei und heimlichem Entsetzen macht Guido Rohm auch in einer der Kurzgeschichten selbst zum Thema, in denen er seine Fiktionen sich über ihn, den Autor, aufregen lässt, da der Autor mit ihnen machen kann, was er will usw. usf., eine Methode die womöglich ein paar Drehungen zu viel beinhaltet, denn die Geschichte „Identitätskrise“ funktioniert nicht. Wie auch die Geschichte eines urlaubsbedürftigen Lektors auf Kreuzfahrt, der realisiert, dass alle Mitreisenden Manuskripte für ihn dabeihaben, in ihrer Albernheit sonderbar absticht, gegen die überaus knappen Schilderungen von Verleumdung, Gier und Paranoia, die den Rest der Geschichten ausmacht, denkbar dass diese eben genannten Geschichten nur zur Erholung und kurzzeitigen Entlastung des Lesers in den Band eingeflossen sind. Denn die Inhalte lassen einen sonst mehr durch die Texte hetzen, als dass man diese „bequem“ lesen könnte. Das, was einen jagt, ist der Eindruck, sich zu besudeln, also eine sonderbare Moralität, die in einem aufgerufen wird, ohne dass man sie bestellt hätte.

 

Nora Sdun

 

Guido Rohm: Keine Spuren, Kurzgeschichten, 150 Seiten, Jens Seeling Verlag 2009

 

Cohen+Dobernigg Buchhandel

 

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