13. Juli 2009

Kunsttransport

 

Das Quadrat ist eines der prominentesten Beispiele für das Vehikeltum in der Kunst der Moderne. Man kann damit Sachen abhängen (zum Beispiel eine ganze Kunstgeschichte samt Kunst: Malewitsch), man kann Sachen draufladen (etwa solch ätherische Gebilde wie Suprematismus, noch mal Malewitsch), man kann vorführen, wie Farbzusammenklänge wirken (seriell bei Josef Albers) oder man probiert aus, wie es ausschaut, wenn (grüne) Quadrate in der Landschaft rumliegen (jüngst bei Nina Kluth).

 

Nicht immer ist Ironie dabei im Spiel. Oder Humor. Eigentlich eher selten. Es scheint, dass dafür ein Künstler zuständig war und immer noch ist, der zunächst gegenständlich begann, dann sich der harten Schule der Geometrischen Abstraktion zuwandte, um dann von innen her die Strenge des Konzepts aufzulösen, was dazu führte, den Geometrismus selbst als Wahl vorzustellen, dem man vielleicht auch etwas entgegenstellen könnte. Es ließe sich auch sagen, dass der Versuch, sich als Künstler ganz aus dem künstlerischen Prozess herauszunehmen, insofern vorgegebene Konstruktionsprinzipien die Gestalt bestimmen oder gleich noch der Zufall ins Spiel gebracht wird, als unzufriedenstellend empfunden wird oder als bloße Verschleierungstaktik, denn auch das Anbringen von solchen scheinbar überindividuellen Formprinzipien geht auf Entscheidungen zurück, es eben so zu machen und nicht anders.

 

Der Künstler bleibt also immer drin im Prozess, da kann man noch so viele Anonymisierungsversuche mobilisieren. Dieser Künstler ist also François Morellet, und es macht einfach Spaß, dem Künstler dabei zuzusehen, wie er mit der Tradition des Quadrats umgeht und diese mit einem ironischen Lächeln als Transportsystem zeigt. Eine Arbeit aus dem Jahr 1949, noch restgegenständlich, erinnert an Paul Klee, antizipiert aber schon die „Quadratur“ der kommenden Jahrzehnte. Nur zwei Jahre später ist das Figurative eliminiert, nicht jedoch der Anspielungsreichtum der Werke, wenn etwa „Un petit carré jaune, bleu et vert“ Piet Mondrian aufruft und mit einem Augenzwinkern mitteilt, dass Mondrian die Farbe Grün gehasst hat (despektierlich äußerte sich auch Kandinsky über das bourgeoise Grün in „Über das Geistige in der Kunst“).

 

Im Grunde macht sich hier schon, um die Jahrhundertmitte, die Postmoderne als Metakunst bemerkbar, allerdings ist auch wahr, dass es kaum Künstler gab, die sich nicht auf andere Künstler bezogen, womit das sogenannte „Reflexivwerden“ der Kunst nicht ein Phänomen unserer Tage wäre. Natürlich wird auch Josef Albers vorgeführt, Barnett Newman kommt ins Boot als Kalauer: „barre nette (Newman)“, aus der Reihe „Géométree“. Bei so viel Transportwesen ins Grüne oder wo auch immer hin verwundert es nicht, wenn Morellet seine Kunst mit einem Picknick vergleicht: „Kunstwerke sind Picknickplätze, spanische Wirtshäuser, wo man das verzehrt, was man selber mitgebracht hat…“ Nun ist François Morellet endlich da angekommen, wo schon immer sein Bestimmungsort gewesen ist, nämlich im Museum Ritter in Waldenbuch, das dem Künstler eine „Introspektive“ widmet. Die Ausstellung ist noch bis zum 27.9.2009 zu sehen.

 

Dieter Wenk (07-09)

 

François Morellet, Die Quadratur des Quadrats, Museum Ritter, Sammlung Marli Hoppe-Ritter, 17.05.-27.09.2009, Heidelberg 2009 (Verlag Das Wunderhorn)